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Archiv-Artikel

Die Letzte macht den Ofen aus

Wegen ausbleibender Besucher muss die vor 30 Jahren als Geheimtipp gegründete Sauna im Viertel schließen. Damit geht eine Oase der Entspannung ohne Fitnesswahn verloren. Abschied vom Flokati

von Eiken Bruhn

Das andauernde Schmuddelwetter hat nichts genützt. Die Besucherzahlen der alteingesessenen Sauna im Viertel blieben auch in dieser Saison so mau, dass die drei Betreiberinnen die Notbremse gezogen haben. Am Freitag öffnen sie den vor 30 Jahren eröffneten Schwitzraum im Souterrain eines Altbaus zum allerletzten Mal, zünden Kerzen im Ruheraum an und machen auf Wunsch einen Aufguss mit „unserem Glücksöl“, wie es es eine Besucherin formuliert.

Hier macht nicht irgendeine Sauna dicht, sondern eine der letzten Zuflüchte vor Alltagsstress, wo Wellness nicht gleichzusetzen ist mit Abnehmen und Bodystyling. Hier sind Menschen mit Körperbehaarung keine Ausnahmeerscheinung, hier ist das Ausruhen im tatsächlich ruhigen Ruheraum genauso wichtig wie die Schwitzkur. Niemand hetzt von einem Aufguss-Event zum nächsten, man muss nichts tun. Es gibt keinen Fitnessraum, dafür Tee umsonst und einen verwunschenen Garten. „Das ist wie eine Insel“, sagt eine andere Besucherin, „so eine Atmosphäre findet man woanders nicht.“

Doch für derart unspektakuläre Entspannung haben immer weniger Menschen Zeit und Geld, erzählt Helga Hoffmann, die sich seit 17 Jahren um den Saunabetrieb kümmert, die letzten beiden verbliebenen Mitstreiterinnen sind seit 18 und 22 Jahren dabei. „Früher war hier richtig was los, da musste ich Leute manchmal nach Hause schicken“, erzählt die 47-jährige Tischlerin, die alle zwei Wochen „Saunadienst“ hat. Heute kommen im Schnitt nur noch fünf bis zehn Gäste täglich, 15 müssten es sein, damit sich der laufende Betrieb trägt und ein Polster für den Sommer bleibt, wenn die Sauna geschlossen ist, die Miete aber dennoch gezahlt werden muss. Im letzten Herbst war es dann so weit: Die Reserven waren aufgebraucht, die drei Frauen mussten in die eigene Tasche greifen. Nachdem sie schon vor zwei Jahren hatten Geld hineinstecken müssen, war klar, dass der Hobbybetrieb allmählich zu teuer wurde. Hinzu kam, dass das Haus verkauft und umgebaut werden soll.

Warum sich in den letzten Jahren nur noch so wenig Menschen hierher verirrt haben – Hoffmann kann nur spekulieren. „Vielleicht ist es vielen heute zu eng“, überlegt sie. Früher hätte das niemand gestört. Da stapelten sich die Gäste im einzigen Schwitzraum, der damals noch sehr viel kleiner war als jetzt. An den Wänden hingen Palästinenserfeudel, es wurde gekifft. Heute hängt höchstens Melissenduft in der Luft. Dafür sei der Druck in der Arbeitswelt so groß, dass man wohl mehr Raum für sich selbst brauche, sagt Hoffmann. „Geht mir ja nicht anders.“

Dabei gebe es kaum einen Ort, an dem man so in Ruhe gelassen werde, sagt eine Frau, die im Bademantel auf dem Flokati kniet und sich aus der großen blauen Tonkanne einen Kräutertee nachschenkt. Wer zum Glotzen kommt, muss sich wieder anziehen. Auch von einer Missionierung durch Buddhisten kann keine Rede sein, entgegen anders lautender Gerüchte. An der Pinnwand hängen Visitenkarten von Wahrsagerinnen, Yoga- und Reiki-Lehrern. Niemand wird gezwungen, sich eine Telefonnummer aufzuschreiben. Auch der langhaarige Mann, der sich gerade anzieht, sucht keine Erleuchtung, sondern einen Ort zum Abschalten. „Ich war früher in einer anderen kleinen Sauna, aber die ist jetzt auch zu.“

Sauna im Viertel: Außer der Schleifmühle 76, Eintritt 11 Euro, Di 10 bis 22 h (Frauen), Do & Fr 16 bis 22 h. Bis 14.4.