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Archiv-Artikel

Humor ist für die meisten Chefsache

ANALYSE Die Kleinstparteien meinen es mit ihrer Kandidatur ernst. Für sie ist der Bundestag der wichtigste Ort für ihre Anliegen

VON DORIS AKRAP

Einen Tag vor der Wahl kommentiert die FAZ, dass die Bedeutung des Bundestags „systematisch unterschätzt“ werde. In derselben Zeitung legt ein anderer Autor nahe, der Wahlkampf sei ein „Fest der Irrelevanz“ gewesen. Viele Kleinstparteien, die sich in diesem Wahlkampf engagiert hatten und in der taz zu Wort kamen, würden weder den einen noch den anderen Satz so unterschreiben. Die Kleinstparteien glauben, dass der Bundestag der wichtigste und richtigste Ort für sie und ihr Anliegen ist und es wert ist, die Mühen des Kampfes um einen parlamentarischen Sitz auf sich zu nehmen.

Sie schätzen den Bundestag so sehr, dass sie ihre Freizeit opfern, um seitenlange Parteiprogramme zu erarbeiten, in denen die Bedingungen für die Jagd, das Rauchen, aber auch Architektur und Stadtplanung berücksichtigt werden. Um Slogans wie „Frauen verdienen Respekt“ zu entwerfen oder um Homepages zu bauen, auf denen sie nach der Verkündung, man habe die notwendigen Unterschriften für eine Kandidatur zusammen, kaum noch Zeit und Platz finden, um weiteres mitzuteilen.

Waren Sie mal Klassensprecher?

Viele ihrer Bundesvorsitzender finden die Frage danach, ob sie mal Klassensprecher waren, „irrelevant“ oder „verharmlosend“. Dass aber von 17 befragten Bundesvorsitzenden der für die Wahl 2013 kandidierenden Kleinstparteien nur 5 nicht Klassensprecher waren, zeugt von ihrer großen Bescheidenheit, davon, dass sie nicht gerne mit ihrer Vita prahlen, sondern dass es ihnen um Inhalte geht. Die Klassensprecherdichte bringt den Wählern die Gewissheit, es in erster Linie mit Menschen zu tun zu haben, die schon immer Verantwortung übernehmen und für andere sprechen wollten, dass es Menschen sind, die mit ihrer Meinung nicht in der Schmollecke stehen bleiben wollen.

Was wollen Sie werden, wenn Sie mal groß sind?

Mitnichten gilt den Kleinstparteien der Bundestag nur als Spielwiese für Selbstdarsteller. Dass sie allesamt den Wunsch haben, wenn sie mal groß sind, das Amt des Kanzlers oder des Außenministers zu übernehmen, spricht für sie und ihre ernst gemeinten Absichten, das Land gut regieren zu wollen.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass alle antretenden Parteien es mit ihrer Kandidatur sehr ernst meinen und deshalb auch bereitwillig und ausführlich Auskunft über Programme und Ziele ihrer Organisation geben.

Keiner verschanzt sich hinter Terminschwierigkeiten oder weicht unbequemen Fragen aus. Sogar Humor, ein Kriterium, dass für viele auch wahlentscheidend sein kann, ist für die meisten Chefsache. Doch auch hier gibt es eine Ausnahme: die MLPD. Weil sie seit der Parteigründung 1982 denselben Vorsitzenden hat und von Verfassungsschützern eines „massiven Personenkults“ verdächtigt wird, lehnte der Parteichef es ab, in der Rubrik „Hier spricht der große Vorsitzende“ zu sprechen. Er blieb der Einzige.

Sind Sie für die Fünfprozenthürde?

Dass sie in ihren Überzeugungen gefestigt sind, lässt sich auch daran erkennen, dass sich keine der befragten Kleinstparteien für die Fünfprozenthürde starkmacht. Sie meinen es ernst mit Pluralität und Meinungsvielfalt und fürchten den „Hühnerstall“ keinesfalls, vor dem die Freien Wähler warnen. Die sind drittstärkste Kraft in Bayern und die große Ausnahme unter den Kleinen: Sie warnen vor einem schwer zu kontrollierendem Chaos, sollte die Hürde fallen.

Die Kleinstparteien lassen sich ansonsten in zwei Kategorien einteilen: solche, die einen Pressesprecher haben, und solche, die Politik vom Wohnzimmer aus machen.

Die mit dem Pressesprecher sind selbstverständlich schon größer, haben bereits in zahlreichen Städten Büros, und man muss für ein dreiminütiges Interview Termine ausmachen. Bei den anderen erreicht man unter der auf der Partei-Homepage angegebenen Privatnummer den verschlafenen Ehemann, der in den Apparat nuschelt oder die genervte Hausfrau, die einen anblafft, dass der Alte immer erst abends nach Hause komme. Manchmal erreicht man den Vorsitzenden direkt auf dem Sofa beim Fernsehgucken.

Nicht befragt wurden indes jene Kleinstparteien, die gar keine sind wie „Die Partei“, Parteien, die sowieso überall reden dürfen, wie AfD und Piraten, sowie Parteien, die außer Deutschen sowieso keine anderen Parteien mehr kennen.