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Archiv-Artikel

Ein „Judenjäger“ als Opernheld

Die „Bestmannoper“ in Osnabrück erzählt die Geschichte von Alois Brunner, den Adolf Eichmann als seinen „besten Mann“ bezeichnete. Noch kurz vor Kriegsende ließ er jüdische Kinder aus Frankreich deportieren

Das Publikum verstören wollten Komponist Alex Nowitz und sein Librettist Ralph Hammerthaler. Das ist ihnen mit ihrer „Bestmannoper“ gelungen, die am vergangenen Wochenende in Osnabrück Premiere hatte.

In 13 grotesken Episoden erzählt die Oper die Geschichte des SS-Hauptsturmführers Alois Brunner, den Adolf Eichmann als seinen „besten Mann“ bezeichnete. Der 1912 im Burgenland geborene Brunner war in Wien, Griechenland, Frankreich und der Slowakei für die Deportation der jüdischen Bevölkerung verantwortlich. Brunner gehörte nicht zu den typischen Schreibtischtätern des Dritten Reiches, sondern ging immer wieder selbst auf „Judenjagd“. Als die Alliierten bereits in der Normandie gelandet waren, ließ er noch 1.327 jüdische Kinder verhaften und nach Auschwitz deportieren.

Kann man, darf man so jemand auf die Bühne bringen? Man kann. Wenn Bestmann alias Brunner im Lager Drancy jüdische Kinder in den Transportzug nach Auschwitz zwingt, dann fährt der Zug, bunt wie von Kindern gezeichnet, auf einer Drehbühne im Kreis. Das wirkt wie in einem Comic – und gerade dadurch um so schockierender.

Weder ein Erinnerungs- noch ein Betroffenheitsstück habe ihm vorgeschwebt, sagt Librettist Hammerthaler. Komponist Alex Nowitz schrieb eine Musik, die sich teilweise experimenteller Mittel bedient wie in der Ouvertüre, die aus Kneipengeräuschen – Stühlerücken, Bierkruggeklingel – besteht. Doch er greift auch zu klassichen Stilzitaten, wenn etwa bei Bestmanns Hochzeit mit dem Ehrengast Leichmann (Eichmann) die Figuren zu schiefen Operettenklängen schwanken. In einer „Arie“, während er eine als Kräuterpaket getarnte Briefbombe erhält, verfällt Bestmann sogar in österreichische Volksmusikklänge.

Nach dem Krieg konnte Brunner mit Hilfe westlicher Geheimdienstkreise nach Syrien fliehen, wo er für den BND, die Dortmunder Aktienbrauerei und – im Auftrag der syrischen Regierung – als Berater für Judenfragen tätig war. Obwohl sein Aufenthaltsort jahrzehntelang bekannt war, wurde er erst 2001 in Abwesenheit von einem Pariser Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt – wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ob und wenn ja, wo er noch lebt, ist nicht geklärt.

Thomas Strünkelnberg

Vorstellungen: Fr 14. 4., Fr 21. 4., Di 25. 4., Fr 28. 4., Di 2. 5., Sa 13. 5., So 21. 5., Mi 31. 5., Theater Osnabrück