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Archiv-Artikel

Das Prinzip Gelassenheit

Die „Frankfurter Rundschau“ blickt trotz anstehenden Verkaufs entspannt in die Zukunft. Der Teil-Abschied von der SPD-Holding DDVG fällt nicht schwer. Am liebsten käme das Blatt bei Madsack unter

von STEFFEN GRIMBERG

Die eben erst bezogene Hütte wird in zwei Jahren schon wieder verlassen, das eigene Blatt steht zum Verkauf. Und für das laufende Jahr gibt es immer noch keinen festen Redaktionsetat. Eigentlich ein guter Anlass für leise Panik oder zumindest sorgenumwölktes Mienenspiel. Doch davon kann beim Chefredakteur der Frankfurter Rundschau keine Rede sein.

Wolfgang Storz macht sogar einen ungemein entspannten Eindruck: „Mit dem, was wir journalistisch machen, bin ich sehr zufrieden.“ Und mit dem Drumherum könne man leben. Vor allem mit dem Verkauf.

Stimmt. Ein neuer Mehrheitsgesellschafter kann dem linksliberalen Traditionsblatt nur gut tun. Bislang gehört es zu 90 Prozent der SPD-Verlagsholding DDVG, die die FR 2004 durch die Übernahme vor der Insolvenz rettete. Unterstellungen, hier lasse sich das im Zweifel ohnehin sozialliberale Blatt auf Parteikurs bringen, inklusive. Wirklich dran, da sind sich alle unabhängigen Beobachter einig, war zwar nichts. Aber CDU-nahe Kreise und die mächtige Konkurrenz namens FAZ ritten gerne drauf herum. Jetzt will sich die DDVG von 50 Prozent der FR-Anteile trennen. Acht ernsthafte Interessenten gibt es laut Presseberichten. Bis Mai müssen ihre Angebote auf den Tisch. 2008 soll die Zeitung dann in ihr neues Domizil, ein ehemaliges Straßenbahndepot im Stadtteil Sachsenhausen, umziehen.

Welche Sorte Neubesitzer man am Main auf keinen Fall begrüßen möchte, hatte Storz schon im 2005 eingeführten Redaktionsblog klar gemacht – Finanzinvestoren. Denn die wollten doch nur „noch mehr Gewinn machen, die Zeitung dann weiterverkaufen. Und das nennt man dann modernes und produktives Wirtschaften? Das ist doch absurd“, schrieb Storz im November zur Übernahme des Berliner Verlags durch Risikokapitalisten um den britischen Medienmann David Montgomery. Überschrift: „Heuschrecken-Alarm?“

Das hatte Wirkung: Finanzinvestoren hat die DDVG als neue Gesellschafter ausgeschlossen, außerdem sind die linksliberale Blattlinie und der überregionale Anspruch für jeden Neubesitzer Pflicht. Mit dem Gewinn ist es bei der FR ohnehin eine ganz eigene Sache. Von der schwarzen Null für 2005 ist jedenfalls längst keine Rede mehr. Auch wenn unter der alles andere als zimperlichen Sanierung durch die DDVG die Zahl der Mitarbeiter im Gesamtunternehmen um mehr als die Hälfte reduziert wurde. Von 1.650 Stellen im Jahr 2001 gibt es aktuell noch gerade 720. In der Redaktion schrillten zuletzt im letzten Herbst die Alarmglocken: Die eben erst eingeführte tägliche Beilage „FR plus“ stand zur Disposition. Die Honorartöpfe für freie Mitarbeit sollten leer laufen, der Umfang der überregionalen Ausgabe sollte verringert werden. Storz, heißt es in der Redaktion, habe diese Einschnitten nicht mittragen wollen. Dort herrscht die Einschätzung vor, dass die „Plusse“ wohl bleiben, nur das donnerstägliche Veranstaltungsmagazin „Plan F“ musste Federn lassen. Alles Weitere wird – inklusive offener Etatfragen – erst mit den neuen Eigentümern geklärt.

Auch hier bleibt Storz entspannt: Die bundesweite D-Ausgabe sei „stabil“, und wo immer die FR ihre Aktivitäten in der Rhein-Main-Region verstärkt hat, „legen wir zu“. Doch trotz soviel Chef-Optimismus: Die Auflage macht weiter Probleme. Vor allem die Abozahlen sanken letztes Jahr nochmals – auf aktuell nur noch knapp 104.000. Von den insgesamt gut 160.000 Exemplaren im letzten Quartal 2005 gingen über 40.000 als ermäßigte Verkäufe, Gratisprobeabos oder Bordexemplare weg.

Vor allem die Rückeroberung von Frankfurt selbst bleibt anstrengend: Hier gibt es immer mehr Single-Haushalte ohne klassische Zeitungsanbindung. Die FAZ mit ihrem Rhein-Main-Teil und die ebenfalls zur FAZ gehörende Frankfurter Neue Presse fürs etwas ältere Publikum sind harte Konkurrenz – bei Lesern und vor allem bei Anzeigenkunden. Die FR kontert mit dem Ausbau von Stadtteilfenstern, öffentlichen Veranstaltungen und der FR am Abend.

Die sieht fast genauso aus wie die Deutschland-Ausgabe des nächsten Tages, wird aber an ausgewählten Kiosken und per Handverkauf schon am früheren Abend an die LeserIn gebracht – und wirbt mit dem eher unglücklichen Slogan „Früher schlauer“. Immerhin: „Das ist für die FR schon ungewöhnlich, auf einmal so konsequent auf Verkaufe zu setzen“, spottet ein Redakteur in Erinnerung an alte Zeiten. Spannungen mit der Redaktionsleitung, heißt es übrigens übereinstimmend, gebe es im Moment kaum.

Und auch bei der Frage, wen man denn am liebsten als künftigen Mehrheitseigentümer sähe, macht sich große Einigkeit breit: Die Verlagsgruppe Madsack (Hannoversche Allgemeine, Neue Presse, Leipziger Volkszeitung). Mit der politischen Ausrichtung der FR hätte die wohl in der Tat keine Probleme – schließlich gehört sie selbst zu 20 Prozent der DDVG. Außerdem hat Madsack vor gut drei Jahren die Oberhessische Presse (Marburg) gekauft und grenzt so bereits ans regionale Kerngebiet der FR.

Doch neben Madsack bieten auch andere große deutsche Verlage mit – DuMont, die WAZ-Gruppe sowie Holtzbrinck sollen die Bücher in Frankfurt geprüft haben. Und auch wenn Finanzinvestoren nicht zum Zuge kommen – der Illusion, große Regionalverlage würden die FR mit Samthandschuhen anfassen, sollte sich niemand hingeben.