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Archiv-Artikel

Deutscher Klimaschutz bleibt ineffizient

Bundesregierung einigt sich, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid die Wirtschaft ausstoßen darf. Geringe Reduzierung bis 2012. Energiekonzerne werden beim Emissionshandel stärker belastet als die Industrie. Kritik von Umweltverbänden

VON TARIK AHMIA

Die große Koalition hat sich auf einen Kompromiss über den künftigen Handel mit Abgasrechten geeinigt. Nach Informationen der taz haben die zuständigen Staatssekretäre im Umwelt- und Wirtschaftsministerium vereinbart, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) die deutsche Wirtschaft in dem Zeitraum von 2008 bis 2012 emittieren darf.

Der Entwurf des „nationalen Allokationsplans“ sieht vor, künftig Energieversorger und die übrige Industrie unterschiedlich zu behandeln: Während Industriebetriebe zwischen 2008 und 2012 ihren CO2-Ausstoß um 1,25 Prozent senken sollen, erhalten Stromproduzenten für ihre Anlagen im gleichen Zeitraum 15 Prozent weniger Emissionsrechte. Insgesamt sollen jährlich Emissionszertifikate für 495 Millionen Tonnen CO2 ausgegeben werden. Das sind nur acht Millionen Tonnen weniger als in der ersten Stufe des Emissionshandels, die seit 2005 gültig ist. Die unterschiedliche Behandlung ist eine Konzession an die EU, die das Ende von Dutzenden Sonderregelungen für den Emissionshandel von der Bundesregierung fordert.

Der Handel mit Abgasrechten wurde eingeführt, um Investitionen in den Klimaschutz zu fördern und die Verschmutzung der Atmosphäre mit klimaschädlichen Gasen zu senken. Die Bundesregierung verzichtete aber bereits in der ersten Stufe auf eine Versteigerung der Abgaszertifikate zu Marktpreisen und stattete Energieversorger und Industrie mit kostenlosen Emissionsrechten aus. „Dieses Vorgehen senkt den Druck auf die Unternehmen, in Klimaschutz zu investieren“, sagt Regine Günther vom World Wide Fund For Nature (WWF) zur taz. Dennoch soll dieser Grundsatz beibehalten werden, obwohl die EU-Komission eine Versteigerung von bis zu 10 Prozent aller Emissionsrechte gestattet.

Die kostenlosen Zertifikate sichern den Unternehmen satte Zusatzgewinne: „Die fünf großen Energiekonzerne in Deutschland verdienen dadurch pro Jahr bis zu 8 Milliarden Euro zusätzlich“, so Günther. Denn diese schlagen den Börsenpreis für die Abgasrechte auf den normalen Strompreis auf und stellen ihn den Verbrauchern in Rechnung. Im Januar 2005 kostete das Zertifikat für die Emission einer Tonne CO2 an der Emissionsbörse 7 Euro. Für das gleiche Papier mussten gestern an der europäischen Energiebörse 29 Euro bezahlt werden.

Die Energiekonzerne profitieren in Zukunft auch von weiteren Vorteilen. So werden Kraftwerksneubauten 14 Jahre lang von Minderungsanforderungen befreit, für andere gelten Ausnahmeregelungen, die weit in das nächste Jahrzehnt reichen können. Einen Anreiz für CO2-arme Brennstoffe wird es auch weiterhin nicht geben. Schweden zum Beispiel schreibt seinen Stromproduzenten für jedes Kilowatt Strom eine einheitliche Menge CO2 gut – unabhängig davon, welcher Brennstoff verwendet wird. In Deutschland jedoch wird Kohle massiv bevorzugt, indem CO2-intensive Kohlekraftwerke mehr Zertifikate erhalten als CO2-arme Gaskraftwerke.

Im Ergebnis bleibt die Reduzierung klimaschädlicher Gase auch mit dem neuen Allokationsplan weit hinter den Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zurück. Diese hatte angekündigt, im Jahr 2010 nur noch 463 Millionen Tonnen CO2 zu emittieren.

Selbst die angestrebten CO2-Einsparungen von insgesamt 8 Millionen Tonnen sind marginal. „Das Gesamtziel des Emissionshandels bis 2012 ist geringer, als sich allein durch den jährlichen Zuwachs erneuerbarer Energien ergibt“, kritisiert Milan Nitschke vom Bundesverband erneuerbarer Energien. Trotz der ernüchternden Bilanz glaubt Regine Günther nicht, dass der Emissionshandel in Deutschland gescheitert ist. „Der Emissionshandel hat das Bewusstsein in der Wirtschaft für Klimarisiken geschärft. Es ist aber mehr als bedenklich, dass es der Politik nicht schafft, sich mit sinnvollen Rahmenbedingungen, die dem Allgemeinwohl dienen, gegen die Industrie durchzusetzen“.

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