: Protestmarsch der Weißkittel
In Köln demonstrieren rund 3.000 streikende Klinikärzte aus dem gesamten Bundesgebiet für höhere Gehälter. Im Tarifstreit zwischen Ärzte-Verbänden und öffentlichen Arbeitgebern ist keine Einigung in Sicht. Streik droht auch an der Berliner Charité
von RICHARD ROTHER
Auch vier Wochen nach Beginn des Streiks der Klinikärzte ist noch kein Ende des Arbeitskampfes in Sicht. In Köln ließen die Mediziner gestern noch einmal die Muskeln spielen: Zu einer zentralen Protestkundgebung kamen rund 3.000 Ärzte und Ärztinnen aus dem ganzen Bundesgebiet – deutlich weniger als bei der bundesweiten Protestdemonstration der niedergelassenen Ärzte Ende März in Berlin.
Nach Angaben der Ärzteorganisation Marburger Bund (MB) legten gestern Ärzte in Universitäts- und Landeskrankenhäusern in 26 Städten die Arbeit nieder. Die Streiks könnten sich demnächst auch auf die kommunalen Krankenhäuser ausdehnen. Die Berliner Charité, das größte Uni-Klinikum Europas, steht jetzt vor einer Urabstimmung, nachdem der MB die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt hatte. Bundesweit verlangen die Klinikärzte 30 Prozent mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen.
In weißen Kitteln und mit Trillerpfeifen zogen gestern die Ärzte durch die Kölner Innenstadt. Auf Plakaten fordern sie: „Anerkennung von Forschung und Lehre als Teil der Arbeitszeit“ oder „Für international konkurrenzfähige Gehälter und gute Arbeitsbedingungen“. Mit dem Kölner Protest wollten die Mediziner ein „unmissverständliches Zeichen“ im Tarifstreit mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) setzen.
Zugleich wurden gestern in Köln die Tarifverhandlungen für die rund 70.000 Ärzte an rund 700 kommunalen Krankenhäusern fortgesetzt. Eine Einigung galt aber als unwahrscheinlich, sodass auch hier die Zeichen auf Streik stehen könnten. Ein solcher Ausstand könnte die Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen, wenn gleichzeitig der Streik an den Uni-Kliniken andauern sollte – und das Drohpotenzial des Marburger Bundes entsprechend erhöhen.
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) wies die Ärzteforderungen im Vorfeld der gestrigen Verhandlungen als „völlig überzogen“ zurück. „Die Forderungen des Marburger Bundes sind nicht gerechtfertigt und unfinanzierbar“, so VKA-Verhandlungsführer Otto Foit. An den kommunalen Kliniken erhielten die Ärzte bereits „eine herausgehobene Bezahlung“. Die Erfüllung der Ärzteforderungen würde die Existenz der kommunalen Kliniken gefährden.
An der Berliner Charité waren am Montag die Tarifverhandlungen in letzter Minute gescheitert. Der Marburger Bund nannte das Arbeitgeberangebot eine „Mogelpackung“. Für klinisch tätige Ärzte hätte es eine Gehaltssteigerung von bis zu 15 Prozent und attraktive Arbeitszeitregelungen gegeben, hieß es hingegen bei der Charité. Für das Berliner Universitätsklinikum wird gesondert verhandelt, weil Berlin aus der TdL ausgetreten ist. Mit diesem Schritt setzte der rot-rote Senat Lohnkürzungen von bis zu zwölf Prozent im öffentlichen Dienst der hoch verschuldeten Hauptstadt durch – deutliche Gehaltserhöhungen für Uni-Ärzte dürften vor diesem Hintergrund in Berlin kaum auf Begeisterung stoßen.