Spekulationsobjekt Mietwohnung

VON HANNES KOCH

Dass Aktiengesellschaften keine Steuern mehr an den Staat zu zahlen brauchen, gilt hierzulande noch als Utopie überzeugter Liberaler. Möglicherweise bald zu Unrecht. Denn die große Koalition plant die Zulassung neuer Immobilienfirmen: Diese könnten Hunderttausende Mietwohnungen, die heute noch öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften gehören, kaufen und an die Börse bringen. Für die Investoren besteht der Vorteil dieser so genannten Real Estate Investment Trusts (Reits) darin, dass die eigentliche Aktiengesellschaft keine Gewinnsteuer an die deutschen Finanzämter abführen soll.

Die parlamentarische Linke und das Netzwerk der gemäßigten Abgeordneten innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion machen nun gegen dieses Vorhaben mobil – und gehen damit auf Konfrontationskurs zur Union. „Finanzpolitik darf keine Wünsch-dir-was-Veranstaltung für Investoren sein“, sagt die SPD-Abgeordnete Nina Hauer. Sie spielt damit auf die so genannte Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) an, die die Idee der Immobilientrusts propagiert. Der IFD gehören die in Deutschland tätigen Großbanken und Versicherungen und auch das Bundesfinanzministerium an.

Nach Einschätzung der Banken ist der deutsche Immobilienmarkt zu behäbig, unflexibel und unattraktiv. Die meisten Wohnungen sind jahrzehntelang im Besitz derselben Firma – sie sind, von der Mietzahlung abgesehen, quasi totes Kapital. Würde man dagegen Immobilien in den neuen Aktiengesellschaften zusammenfassen und ihre Anteile an der Börse verkaufen, könnten sie öfters den Besitzer wechseln und schöne Verkaufsgewinne einspielen. Schätzungen über das mobilisierbare Kapital reichen bis zu hohen dreistelligen Milliardenbeträgen. Dazu müsste laut IFD aber eine neue Möglichkeit geschaffen werden, um Mietwohnungen, Bürokomplexe, Fabrikanlagen und Grundstücke an der Börse handelbar zu machen.

Aktiengesellschaften auf der Basis von Immobilien gibt es in Deutschland bisher kaum – im Gegensatz zu den USA, Großbritannien oder Frankreich. Um Investoren eine attraktive Renditemöglichkeit zu verschaffen, sollen die Reits von der Körperschaftssteuer auf Gewinne befreit sein. Damit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) trotzdem nicht leer ausgeht, müssten die Reits ihre Erlöse komplett an die Anteilseigner ausschütten und die Steuern dann bei den privaten Eigentümern erhoben werden – Banken, Versicherungen, aber auch Privatpersonen. So sieht es die Theorie der IFD vor.

Praktisch allerdings könnte es zu massiven Problemen kommen, befürchtet SPD-Abgeordneter Florian Pronold: „Das Risiko besteht darin, dass die Anleger im Ausland sitzen.“ Fast die gesamten Gewinne würden dann mehr oder weniger steuerfrei über die Grenzen verschoben – anders als bei heutigen Immobilienfonds, deren Gewinne immerhin zur Hälfte der deutschen Körperschaftssteuer unterworfen sind. Der Verlust für den Staat wäre enorm.

Michael Meister, finanzpolitischer Sprecher der Union im Bundestag, plädiert hingegen dafür, die „positiven Effekte der Reits“ zu sehen. Die steuerlichen Probleme seien „lösbar“, meint Meister. Durch die geschickte Formulierung der Vorschriften könne man durchaus sicherstellen, dass die Aktionäre ihre Gewinne aus den Immobilientrusts in Deutschland versteuern.

Von solchen Argumenten lassen sich die kritischen SPD-Abgeordneten bislang nicht überzeugen. Sie argwöhnen, in die Falle komplizierter Steuermodelle zu tappen, die den spezialisierten Steuerberatern der Konzerne vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.

Aber auch aus einem zweiten Grund steht man den neuen Immobilientrusts in der SPD skeptisch gegenüber. Millionen Mieter, so lautet die Befürchtung, würden zu Spekulationsobjekten degradiert. Der schnellen Rendite halber könnten große Pakete von Wohnungen kurzfristig die Besitzer wechseln – mit langfristig kaum zu kalkulierenden Folgen für die Höhe der Mieten und die Instandhaltung der Häuser. „Wohnungen sind vor allem ein Sozialgut, kein Wirtschaftsgut“, sagt SPD-Bundestagsabgeordneter Ortwin Runde (siehe Kasten).

Ob diese Kritik jetzt noch etwas ausrichten kann, wird sich bald zeigen. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD schon vereinbart, die neuen Immobilienfonds einzuführen. Bedingung ist, dass die Steuerzahlung der Anleger gesichert und „die Wirkungen auf den Immobilienmarkt und die Standortbedingungen in Deutschland positiv sind“. Die Mitarbeiter von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) arbeiten zurzeit an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Das Ziel sei es, sagt ein Sprecher, die Immobilientrusts zum Jahresanfang 2007 starten zu lassen.

Diesen Gesetzentwurf will man sich bei der SPD sehr genau ansehen – und die Zustimmung daran knüpfen, ob die Steuerzahlung gewährleistet und die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in Grenzen gehalten werden können. „Das muss klar sein, sonst gibt es keine Reits in Deutschland“, sagt Florian Pronold.