Netanjahu kämpft gegen das sanfte Phänomen Rohani

UNO II Israels Premier versucht das versöhnliche Auftreten des Iraners als Maske zu desavouieren

„Wo ist Mahmud (Ahmedinedschad), wenn man ihn braucht?“, fragt Netanjahu

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die versöhnliche Rede des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani voller Misstrauen kommentiert, er sprach von „zynischen“ Ausführungen „voller Heuchlerei“ und warnte die Welt davor, sich in die Irre führen zu lassen. Kurz vor Rohanis Auftritt vor der UN-Generalversammlung in der Nacht zum Mittwoch rief Netanjahu die israelischen Diplomaten zum Verlassen des Versammlungsraums auf.

„Wo ist Mahmud (Ahmedinedschad), wenn man ihn braucht“, fragt Netanjahu unwirsch in einer Karikatur der liberalen Zeitung Haaretz. Der grobschlächtige Vorgänger Rohanis spielte der israelischen Regierung geradewegs in die Hände, als er den Holocaust leugnete und gegen Israel hetzte. Rohani hingegen könnte Netanjahu einen Strich durch die Rechnung machen. Für Israel dürfte es jetzt viel schwerer werden, eine Koalition für den präventiven Militärschlag gegen das iranische Atomforschungsprogramm auf die Beine zu stellen, solange der freundliche Rohani, der erklärtermaßen auf Frieden sinnt, in Teheran regiert.

Netanjahu versuchte, Rohani als Lügner zu entlarven, wenn dieser von Menschenrechten spreche, „während iranische Truppen an dem breitflächigen Abschlachten unschuldiger Zivilisten in Syrien beteiligt sind“. Rohani verurteile den Terror, während das iranische Regime Terrorzellen „in Dutzenden Ländern der Welt“ unterhalte.

Hauptanliegen des israelischen Regierungschefs, der als letzter Redner am kommenden Dienstag vor die UN-Generalversammlung treten wird, ist wie im vergangenen Jahr das iranische Atomprogramm. Irans Absichten, so versicherte Rohani, seien „ausschließlich friedlicher“ Natur. Für Atomwaffen sei „kein Raum in der iranischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin“, meinte er und überzeugte Netanjahu damit wenig. Der Israeli verwies auf die internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die bis heute eine militärische Dimension des iranischen Nuklearprogramms nicht ausschließen will.

Im vergangenen Jahr machte Netanjahu mit seiner Rede in New York internationale Schlagzeilen, nachdem er anhand einer comicähnlichen Skizze, die eine Bombe mit brennender Lunte zeigt, die „rote Linie“ Israels erklärte, an der es Zeit für den Präventivschlag sei. Die veränderte Stimmung in New York zwingt den Israeli nun zu einem weniger aggressiven Ton. Es wäre, so mahnt die liberale Haaretz, „ein schwerwiegender Fehler, sollte Israel und die internationale Gemeinschaft die jüngsten Erklärungen aus Teheran und die Veränderungen der iranischen Regierung ignorieren“.