: Ja auf alle Fragen
Dem Technoproduzenten Johannes Heil gelingt es mit seinem neuen Album „Freaks R Us“, das Bekannte so anzuordnen, dass es wie unbekannt klingt
von WERNER LABISCH
Es gab kaum ein Vorbeikommen an den Stücken von Johannes Heil, wenn man in den späten Neunzigern in Läden ging, die Techno spielten. Zusammen mit Heiko Laux gründete er das Label Kanzleramt und 1998 erschien dort sein erstes Album „Reality to Midi“. Darauf war der Track „Paranoid Dancer“ zu hören und dieser wurde schnell das, was man einen Clubhit nennt. Sein Stil zeichnete sich damals durch surrende Basslines mit wenigen Vocalfetzen aus. Es war harter Techno, auf den man sich einlassen musste, in dem man versinken konnte, Hardtrance wurde das auch genannt. Danach driftete Heil in ruhigere Gebiete, seine Musik wurde ambienthafter, flächige Sounds kamen verstärkt hinzu und die Tracks erhielten Namen wie: „Illuminate The Planet“, „Isis & Osiris“, „Die Zahl des Tieres“ oder „Die Formel Der Liebe“. Alles war sehr esoterisch und wenn man eine Platte von ihm suchte, war man in der Abteilung „Ambient“ richtig. 2002 änderte sich dann wieder alles und mit dem Album „Heilstyle“ kehrte er zurück zu minimalen Sounds, produziert für die Clubs, produziert zum Tanzen.
Nun erscheint das Album „Freaks R Us“. Was erwartet die geneigte Hörerin und den geneigten Hörer? Wird nun von ihm alles in einen Topf geworfen, dreimal umgerührt und fertig ist die Werkschau? Hat Johannes Heil ein Clubalbum produziert, das man auch zu Hause hören kann? Ist es ein Dance-Album? Ist er weg vom Ambientgesäusel? Hat er sein Ambientgesäusel perfektioniert? Oder hat er gar etwas Neues geschaffen?
Auf alle Fragen gibt es eine Antwort und die lautet: ja. Auf dieser Platte gibt es gute Tracks, die demnächst in den Clubs zu hören sein werden, und das Ganze ist Werkschau, Blick nach vorne und durchkomponiertes Album. Eigentlich ist es Dance. Es beginnt mit einem Beat, fett und stampfend, Marschtakt, dann diese Sonartöne als Akzent. Eigentlich sieht man im Geiste schon bemalte und gepiercte Jungs und Mädels auf die Tanzfläche staken, mit zuckenden Bewegungen, die Arme vorm Gesicht verrenkend. Aber das kann man streng genommen zu jeder Musik machen, die über einen gewissen Beat verfügt. Aber wenn man genau hinhört, findet man viele versteckte Ostereier.
Da ist zum Beispiel das Stück „Freaks R Us“. Zuerst ein angeschliffener Beat, der durch einen Klingelton untermalt wird, dazu gesellt sich die einmal geflüsterte, einmal lispelnde Stimme, welche den Text nur sagt und nicht singt, dann werden elegant dicke Knarz-Bässe eingepflegt und ein paar Quietschtöne verändern wieder die Melodie. Das ist jedoch alles andere als überladen, sondern elegant und fast minimal, da diese Bestandteile reduziert sind und fein aneinander gereiht vorkommen. Heil zeigt seine Kenntnisse über Techno und seine Fähigkeit, Bekanntes neu zu arrangieren und somit etwas Neues, etwas Eigenes zu schaffen.
Tatsächlich stellt er sich dem Grundproblem von Techno. Jeden Sound kann man schon mal in einem anderen Track gehört haben. Johannes Heil hat keine neue Musikrichtung geschaffen, er zeigt lediglich auf, was man alles mit klassischen Technomusik-Elementen machen kann. Und dass er einen dicken Sound hinzulegen imstande ist, ohne alles zuzukleistern, ohne in die Elektroecke zu fallen. Man hört hier eher elektronische Musik, die mit bekannten Elementen spielt. Da gibt es durchaus Wiedererkennungseffekte, die jedoch so angeordnet sind, dass sich was Neues ergibt. Und dies ist, so wie er es macht, auch auf wundervolle Weise tanzbar.
Der Beat des zweiten Stücks etwa fordert zum Tanz auf, dann wird er dem Tänzer oder der Tänzerin wieder weggenommen. Dann kommt er wieder, wird immer schneller, bis er einen durchgehenden Ton erzeugt, der eine klassische Technomelodie ergibt. Ganz groß. Der Beat wird zur Melodie, der Beat ist Melodie. Das ist ein klares Statement zu elektronischer Musik. Man meint im Hintergrund die Metatechnoscherzbolde Bodenstaendig 2000 kichern zu hören. Ein reines Technoalbum, ohne puristisch zu sein, ein Blick in den Rückspiegel, aber nur mit einem Auge, das andere schaut auf die Fahrbahn, und das, ohne zu schielen. Das nennt man gute Arbeit.
Johannes Heil: „Freaks R Us“ (Klang Elektronik)