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Archiv-Artikel

Unklar ist nur, was mit der Ratte los war

DETLEF KUHLBRODT LIEST

Es gibt viel Wetter und viele Drogen, wie im richtigen Leben

Zuerst sah es ein bisschen komisch aus. Eine Person, zwei Stühle, zwei Mikros. Fehlte jemand? Nö.

Am Mittwochabend stellte Detlef Kuhlbrodt sein neues Buch im taz-Café vor. Normalerweise, wenn jemand ein Buch im taz-Café vorstellt, sitzen da zwei Leute: die Person, die das Buch geschrieben hat, und eine andere, die moderiert.

Diesmal saß da nur eine Person, der Autor. Reichte aber auch. Und war eigentlich viel schlauer. Denn das Nette an Moderatoren ist, dass sie einen vorstellen und organisatorische Dinge sagen, aber das Blöde ist, dass sie manchmal Fragen stellen, auf die der Interviewte keine Antwort weiß oder zumindest keine gute. Dann ist es für alle peinlich und ärgerlich. Das spart man sich, wenn man den Moderator spart.

Detlef Kuhlbrodt, freier Autor auch für die taz, stellte also sein Buch vor, es heißt „Umsonst und draußen“ und ist bei Suhrkamp erschienen, genau wie sein anderes Buch, „Morgens leicht, später laut“. Das kam 2007 raus und bestand im Großen und Ganzen aus „Berliner Szenen“, die er für die taz geschrieben hatte und dann in „Singles“ umtaufte.

Das neue Buch ist anders, es ist wie ein Tagebuch aufgebaut. Die Texte sind länger als noch im ersten, lang genug, um zum Beispiel von einer Ratte zu erzählen, die sich in der Wohnung des Erzählers einnistet und zuerst nur „Mäuschen“ heißt. Aber dann, als der Kammerjäger immer wieder „Ach du dickes Ei“ sagt, wächst sie zu einer ziemlichen Bedrohung heran, die dem Erzähler die Eier abbeißen könnte, während er auf dem Klo sitzt.

Zwischendurch ist man in Helsinki („Die Stadt war furchtbar grau mit Schneeregen“), dann zurück in Berlin („Die Sonne schien etwas milchig“), am Landwehrkanal und im Spreewaldbad. Man liest sich so am Leben des Erzählers entlang und beobachtet mit ihm die Welt.

„Umsonst und draußen“ ist ein schönes Buch. Es gibt viel Wetter und viele Drogen, wie im richtigen Leben. Nur wenn man es in die Hand nimmt, wundert man sich ein bisschen, dass es gar nicht nach Rauch riecht.

Was mit der Ratte passiert ist, das hätte ein guter Moderator vielleicht noch fragen können. Aber vielleicht will man das auch gar nicht so genau wissen.

MARGARETE STOKOWSKI