: „Der Körper verlangt nach Wärme“
HERBST taz-Koch Christoph Esser über die Vorteile von Fencheltee, Suppe zum Frühstück und was Yin und Yang mit Gemüse zu tun haben
INTERVIEW LEA BECKER
sonntaz: Es ist grau und feucht, und die CDU hat das beste Wahlergebnis seit zwanzig Jahren. Was empfiehlst du gegen die Herbstdepression?
Christoph Esser: Zwei Wochen Urlaub nehmen und in den Süden fahren.
Und wenn man den Urlaub schon verbraucht hat?
Es wird ja jetzt früher dunkel. Deshalb: wieder häufiger mit Freunden verabreden und zusammen essen.
Welches Essen bietet sich da an?
Was sich immer anbietet, ist Pasta.
Ist Pasta für dich ein typisches Herbstgericht?
Nein, Pasta geht das ganze Jahr. Jetzt im Herbst kommen wieder Schmorgerichte und Eintöpfe, die lange gekocht wurden. Den Winter über Salat zu essen, ist was für Rohkostdogmatiker. Der Körper braucht ja viel mehr Energie, um sich zu wärmen. Deshalb verlangt er nach wärmendem Essen.
Kohl ist ja so ein typisches Herbstgemüse.
Ich liebe Kohl, ich könnte den ganzen Winter Kohl kochen. Zum Beispiel Irish Stew mit Weißkohl, Lammfleisch und Kartoffeln, kräftig und lange gekocht. Kohl ist sehr gesund, weil er sogar mehr Vitamin C enthält als Südfrüchte. Aber ich habe das Gefühl, dass viele Leute denken, sie würden ihn schlecht verdauen. Deshalb gebe ich immer ein bisschen Kümmel zum Kohl. Bewegung nach dem Essen hilft auch.
Gibt es außer Kohl noch andere Lebensmittel, die jetzt Saison haben und auf die du dich besonders gefreut hast?
Ich mag sehr gerne Hokkaidokürbis. Der eignet sich gut für Suppe. Er enthält viel Stärke, und die wandelt der Körper in Zucker, in Energie um. Das wärmt. Ich freue mich auch auf Sauerkraut. Rohes Sauerkraut kühlt zwar eher, aber als Schmorgericht wärmt es den Körper auch.
Welche Gewürze benutzt du jetzt verstärkt?
Kümmel und Wacholder zum Beispiel. Kümmel benutze ich aber nur gemahlen, weil manche Leute den nicht so mögen. Gemahlenen Kümmel kann man ganz gut verstecken, so dass die Kümmelhasser ihn nicht wirklich schmecken.
Welche Lebensmittel wärmen den Körper?
In der Ernährungsphilosophie der Makrobiotik spricht man von Yin und Yang. Yin ist alles, was nach oben wächst, zum Beispiel Blattgemüse. Je weiter oben, desto mehr Yin. Und umgekehrt: Je weiter in der Erde, desto mehr Yang, desto mehr wärmende und kräftigende Energie. Also Wurzelgemüse, zum Beispiel. Knollensellerie und Karotten, Kohl- und Steckrüben.
Hast du vielleicht einen Tipp für ein wärmendes Herbstfrühstück?
Statt Kaffee eine heiße Miso-Suppe. Was auch Energie gibt und lange vorhält, ist Müsli.
Und das hält warm?
Ja, weil Müsli relativ viel Stärke hat, die der Körper nur langsam abbaut. Und dadurch bleibt er auch länger warm. Man kann Müsli im Winter auch mit warmer Milch essen, wenn man das mag. Vielleicht mit ein paar Nüssen drin, die enthalten viel Eiweiß und Öl und sind deshalb auch gute Energielieferanten.
Gibt es beim Fleisch auch Sorten, die stärker wärmen als andere?
Rotes Fleisch gibt mehr Energie ab als weißes Fleisch, deshalb hat man im Winter eher das Bedürfnis nach Gulasch statt nach Salat mit Hähnchenstreifen.
Wo bekommt ein Vegetarier seine Energie her?
Der kann Berge von Nudeln oder Kartoffeln verdrücken, da ist auch viel Stärke drin.
Was sollte man abends essen?
Dann isst man vollwertiges Getreide und viel Gemüse. In der Regel spürt man das selbst. Wenn du regelmäßig vollwertig isst, dann sagt dir dein Körper, was er braucht.
Gibt es auch Salate, die man in den kälteren Monaten gut essen kann?
Man kann jetzt beispielsweise Krautsalat oder Salat mit geriebenen Möhren machen. Ich mag auch diese Kombination aus Salat und warmen Sachen wie frittierten Kürbisstreifen oder gebratenen Pilzen sehr gern.
Kann man nicht wärmendes Essen durch die richtige Zubereitung und die richtigen Gewürze auch wärmend machen?
Ja. Das beste Beispiel ist eigentlich der Bratapfel. Das lange Backen führt dem Apfel Energie zu, er ist warm und dann auch noch mit Nüssen oder Marzipan gefüllt. Das ist im Winter ein Traum. Was ganz anderes als hauchdünn geschnittene rohe Apfelscheibchen.
Ist das auch eine Faustregel: Je länger einem Gericht Wärme zugeführt wird, desto mehr Energie gibt es dann auch wieder an den Körper ab?
Ja, das kann man schon sagen.
Was empfiehlst du bei einer Erkältung?
Heißes Holunderkompott. Holunder hat ja gerade auch Saison. Man muss ihn aber unbedingt erhitzen, weil roher Holunder Stoffe enthält, von denen dir schlecht wird. Ich mache gern einen kleinen trockenen Karamell: Ein bisschen Zucker trocken im Topf bräunen und dann mit den Holunderbeeren ablöschen. Man sollte sie daher ein bisschen stampfen, damit man schon etwas Saft hat. Je länger man das Kompott kocht, desto energiereicher wird es.
Trinken ist ja auch gut für das Immunsystem.
Genau, Nierchen durchspülen.
Sind da alle Getränke gleich gut geeignet?
Drei Liter Wasser am Tag sind sicherlich empfehlenswerter als drei Liter Wodka. Wasser ist das beste Getränk für den Menschen.
Aber kühlt Wasser nicht auch?
Ich habe gehört, dass es super ist, morgens auf nüchternen Magen ein warmes Glas Wasser zu trinken, um den Organismus und das Verdauungssystem anzuregen. Aber ich vergesse es jeden Morgen, deswegen kann ich keinen Erfahrungsbericht liefern.
Und was ist mit Alkohol?
Man denkt oft, dass harter Alkohol wärmt, aber das wirkt nur so, weil er im Körper brennt. Eigentlich kühlt Alkohol den Körper eher aus.
Minztee zum Beispiel wärmt auch nur kurz, dann kühlt er eher. Was gibt es denn für nachhaltig wärmende Teesorten?
Ein Samen hat eine andere Energie als ein Blatt. Deswegen behaupte ich, dass Fencheltee eine wärmendere Qualität hat als Minztee. Wenn du Ginsengtee oder auch Ingwertee trinkst, hat das sicherlich eine noch stärkere Wirkung.
■ Christoph Esser ist Koch im taz-Café in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße. Er beantwortet hier einmal im Monat die Fragen der Leser: fragdenkoch@taz.de
■ Nächstes Mal schreibt Philipp Maußhardt über vergessene
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