Die Ängste des Westens

Farce und Groteske: Das Festival U.T.E. am Düsseldorfer Schauspielhaus sollte Anna Badoras Intendanz feierlich beschließen. Montag geht es zu Ende. Das Theaterfeuerwerk blieb bislang aus

VON REGINE MÜLLER

Es war als abschließender Höhepunkt gedacht: Das Festival der Union der Europäischen Theater (Union des Théâtres de l‘Europe, kurz U.T.E.) unter dem Motto „Warten auf die Barbaren?“ sollte nicht nur eine 2005 begonnene Reihe von Auftragswerken des Düsseldorfer Schauspielhauses an Osteuropäische Autoren beschließen, sondern auch die letzte Spielzeit der scheidenden Intendantin Anna Badora krönen.

Doch das Pulver scheint feucht, das Theaterfeuerwerk will nicht recht zünden. Zumal das Düsseldorfer Haus in dieser Spielzeit mit Goschs „Macbeth“ bereits einen Kracher losgelassen hat, der in jeder Hinsicht kaum zu übertreffen war. Noch dazu wurde die Skandalproduktion als Musterbeispiel der Kategorie „Ekeltheater“ etikettiert und hält so die Feuilleton-Redaktionen mit der so genannten Theaterdebatte auf Trab.

Da bleibt nicht viel Aufmerksamkeit für ein mutiges und ehrenwertes Festival um die Osterzeit mit einer Handvoll mobilen Produktion aus aller Herren Länder, die schon von weitem ziemlich nach „off“ riechen. Freilich, bereits die vorhandenen Düsseldorfer Produktionen zum Thema neues Europa zeigten einen Trend zum Decrescendo: „Nacht“ von Andrzej Stasiuk wurde noch allgemein goutiert, bei Juri Andruchowytschs „Orpheus, illegal“ fiel das Echo schon kritischer aus, eher flau wurde zuletzt Jáchym Topols „Reise nach Bugulma“ aufgenommen. Ängste des Westens, Sehnsüchte des Ostens, Vorurteile und düstere Zukunftsvisionen sind die bevorzugten Themen der prominenten Autoren, Groteske und Farce ihre Form.

Da wird bisweilen recht grob gezimmert und mit dem Holzhammer gedichtet. Manches bleibt auch blutleere These und raschelndes Papier – und verrät, dass alle drei Debütanten im Dramatikerfach sind. Die Einsichten ins neue Europa und seine komplizierte politisch-gesellschaftliche Gemengelage waren also bislang dürftig.

Daran konnte der Verlauf des Festivals einstweilen wenig ändern. „European House“ vom Teatre Lliure Barcelona ist als stummer Prolog zu Shakespeares Hamlet gedacht und lief zur Eröffnung im großen Haus vor schütter besetzten Reihen. Die Pantomime hinterließ gedämpfte Ratlosigkeit. Als Koproduktion mit der Stuttgarter Hochschule kam mit „Dromomania“ von Nicoleta Esinencu die letzte deutschsprachige Produktion hinzu, deren Waschsalon-Tristesse wenig Freunde fand.

Aus dem Teatro Garibaldi aus Palermo war mit Franco Scaldatis „La Gatta di Pezza“ das Elend der Unterprivilegierten in der sizilianischen Version vom südlichen Rand Europas zu erleben. Armut, Machismo und mystischer Aberglauben gehen hier eine anstrengende Mischung ein, die – auch aufgrund des Zoten-Staccatos – das Publikum scharenweise davon trieb. Mit Jan Klatas Inszenierung „Die drei Stigmata des Palmer Eldritch“ kam ein Geheimtipp aus dem Stary Teatr Krakau ins Rheinland. Klata hat einen Science-Fiction-Roman von Philip K. Dick dramatisiert und zeigt endlich ein Theater, das sich auch auf Zwischentöne versteht und differenziert-ironische Bilder findet für die Kritik am osteuropäischen Turbo-Kapitalismus. Dröhnend fährt Punk oder Händel zwischen die Szenen, unerbittlich zieht Klata das Tempo immer weiter an. Zwischen Drogensucht und Konsumterror stellt das raffiniert gebaute Stück die irritierende Frage nach der Metaphysik. Ein weiterer Geheimtipp lässt auf Ostersonntag und Montag hoffen: aus Budapest kommt „Rattled and disappeared“ von Victor Bodó und András Vinnai nach Franz Kafka.

Tickets: 0211-369911