: Raus mit donnerndem Applaus
Gefrustet und trotzdem stolz: Nach Niederlage avanciert der FC St. Pauli zum Pokalsieger der Herzen. Luz, Gunesch und Hollerieth vor dem Absprung, Schweinsteiger und Reichenberger sollen kommen
Von Marco Carini
Der Traum ist ausgeträumt. Nach dem 0:3 gegen Bayern München trauerte ein sichtlich konsternierter Andreas Bergmann der vergebenen Chance nach, den FC St. Pauli erstmals in seiner 96-jährigen Vereinsgeschichte ins Pokalfinale zu bringen. „Es war mehr drin“, blickte der Trainer auf das Spiel zurück: „Ich bin stolz auf die Mannschaft, aber die Niederlage tut sehr weh.“
Mit Bravour hatte der FC St. Pauli zuvor dem deutschen Meister Paroli geboten, Chance um Chance erspielt und doch nichts Zählbares dabei herausgeholt. Drei individuelle Fehler (Hollerieth, Brückner, Palikuca), mangelnde Cleverness und ein überragender Olli Kahn hatten den Unterschied ausgemacht.
20.000 Fans im Stadion, die die Verlierer mit Standing Ovations verabschiedeten, und zehn Millionen Zuschauer vor den Fernsehschirmen verfolgten das Duell David gegen Goliath live. Eine Einschaltquote, die sonst die Nationalelf erreicht. Der aufopferungsvoll kämpfende Kiezclub hat das Spiel zwar verloren, aber bundesweit neue Sympathien gewonnen. St. Pauli – der Pokalsieger der Herzen.
Rund um das Millerntor wurde es trotz der Niederlage eine lange Nacht. „St. Pauli“-Rufe wurden bis in die frühen Morgenstunden skandiert, die Spieler gefeiert. Nach Mitternacht trafen unter tosendem Beifall noch eine Hand voll Akteure beim Stammgriechen im Schanzenviertel ein. Darunter Felix Luz, immer noch das erbeutete Trikot von Nationalspieler Lahm fest umklammert, und Florian Lechner, szenig mit Che-Guevara-Konterfei und rotem Stern auf dem T-Shirt. Aufmunternde Worte der versammelten Fans begleiteten die stolzen Verlierer auf ihrem Weg durch die Nacht.
Inzwischen ist am Millerntor der Alltag wieder eingekehrt. Während Trainer Andreas Bergmann die Mannschaft darauf einschwört, am heutigen Samstag gegen den Aufstiegsaspiranten Holstein Kiel noch einmal letzte Kräfte zu mobilisieren, um die minimale Aufstiegschance nicht endgültig zu verspielen, plant Sportchef Holger Stanislawski unter Hochdruck die kommende Saison. Klar ist: Mehrere Leistungsträger werden den Verein wohl verlassen. Auf Abschied stehen die Zeichen etwa bei Ralph Gunesch, der mehrere Angebote von Zweitliga-Clubs, darunter auch von Aufstiegsaspirant Cottbus vorliegen haben soll. Noch am Gründonnerstag verhandelte Stanislawski mit dem Verteidiger, den der Club unbedingt halten will, über einen neuen Einjahresvertrag.
Bei Shootingstar Felix Luz ist die Auflösung seines bis 2007 laufenden Vertrages nur eine Frage des Preises. Dem Schwaben, der bei St. Pauli nicht zu den Spitzenverdienern gehört, liegt ein lukratives Angebot des Bundesligisten Herta BSC vor. Während die Berliner dem Vernehmen nach rund 300.000 Euro Ablöse für das blonde Kopfballungeheuer zahlen wollen, will Sportchef Stanislawski mindestens den doppelten Betrag bei einem Vereinswechsel einstreichen. Ersetzt werden soll Fanliebling Luz durch einen echten Knipser: Nach taz-Informationen bemüht sich Stanislawski intensiv um Thomas Reichenberger vom VFL Osnabrück, einen der torgefährlichsten Stürmer der Regionalliga Nord. Und noch ein prominenter Regionalliga-Spieler steht auf dem Wunschzettel Stanislawskis ganz oben: Tobias Schweinsteiger, Bruder des Nationalspielers Bastian Schweinsteiger, soll zur neuen Saison vom VFB Lübeck losgeeist werden.
Offen ist hingegen die Zukunft von Achim Hollerieth. Der Torwart, der ein Vertragsangebot des Vereins zunächst ablehnte, will nach ARD-Informationen nun doch verlängern. Ein angeblicher Stimmungswandel, der sich allerdings nicht bis zur sportlichen Leitung rumgesprochen hat. Dort legt man auf ein weiteres Engagement des Keepers auch deshalb keinen gesteigerten Wert, weil Hollerieth als schwierige Persönlichkeit gilt.
Voraussichtlich am Kiez bleiben werden Fabio Morena, Florian Lechner und Benny Adrion. Als Wackelkandidaten gelten weiterhin Heiko Ansorge, Khvicha Shubitidze, Robert Palicuca und Sebastian Wojcik. Hier will sich der Verein erst in einigen Wochen endgültig festlegen.