Rrrrummsfidel in Westerhever

Mit Schreckschussanlagen wollen Bauern auf Eiderstedt Gänse von ihren Äckern vertreiben. Die haben sich daran gewöhnt. Die Menschen nicht

Rrrrumms. „Alle zehn Minuten“, sagt Monika Nelting. „Lauter als ein Düsenjet“, sagt Jürgen Nelting. Rrrrumms. Manchmal auch nachts, neun Monate im Jahr. Es gab Zeiten, in denen die Neltings es nicht aushielten in ihrem liebevoll renovierten Bauernhaus bei Westerhever auf der Halbinsel Eiderstedt. In den 80er Jahren haben sie es gekauft – wegen der alten Balken, wegen des Blicks auf den Leuchtturm, wegen der Salzluft und der Ruhe. Dann begann das Rrrrumms.

Das Ehepaar, er Ingenieur, sie Künstlerin, lebt wie unter Beschuss. Dabei sind sie gar nicht gemeint: Die Knallerei aus so genannten Gasschreckschussanlagen gilt den Gänsen und Enten, die ausgehungert auf den Feldern landen. Für die Bauern sind die Tiere Schädlinge, die die Triebe wegfressen. „Über drei Prozent der Ackermarsch an der Westküste wurden in Mitleidenschaft gezogen“, entsetzte sich die Lokalzeitung im Jahr 1999. Damals zahlte das Land noch einen Ausgleich für die Schäden. Inzwischen nicht mehr – also knallen die Landwirte, um die Vögel zu vertreiben.

Jürgen Nelting, der in den vergangenen Jahren ein Fachmann für Gänse und Knallerei geworden ist, kann mehrere Experten mit der Aussage zitieren, dass der Lärm die Vögel nicht beeindruckt: „Gewöhnungseffekt.“ Nur der Mensch gewöhnt sich nicht. Einige Bauern haben inzwischen ihre Anlagen abgeschaltet, berichtet Monika Nelting: „Sie haben beobachtet, dass es nichts bringt, und es stört sie selbst.“ Aber einige ballern munter weiter – vielleicht vertreibt es doch ein paar Gänse.

Vielleicht, wenn genug Leute sich beschweren, knickt das Land ein und zahlt doch wieder? 500 Unterschriften haben die Lärmgeplagten gesammelt, von Anwohnern, von Touristen. Manchmal rufen Anlieger die Polizei, die Beamten stapfen dann über die Felder und stellen die Anlagen ab. Eines Nachts demolierten Unbekannte einige der Geräte.

Der Streit geht ins fünfte, ins sechste Jahr, die Fronten sind verhärtet. Dazwischen steht Peter Kähler, Leitender Verwaltungsbeamter des Amtes Eiderstedt, und sagt, er könne beide Seiten verstehen. Nur machen könne er nichts: „Die Anlagen sind nicht genehmigungspflichtig.“ Das Amt könne nur einschreiten, wenn Lärmgrenzwerte überschritten sind. „Nach unserer Berechnung werden die zugelassenen 60 Dezibel nicht erreicht.“

Es hat Gespräche gegeben und die Idee, die Bauern sollten die Standorte ihrer Knallanlagen melden. So könne das Amt besser kontrollieren, ob alles rechtens ist. An gefährdeten Feldern könne die „Jägerschaft spazieren gehen und bei Bedarf in die Luft schießen“. Aber eigentlich, sagt Kähler, reiche das nicht: „Das Land müsste die Anlagen genehmigungspflichtig machen.“

Selbst über ein Gerichtsurteil wäre er froh: „Es wäre gut, wenn wir uns an irgendetwas halten könnten.“ Aber das Land winkt ab. Der Krach auf dem Feld sei kein „landesweit gravierendes Problem“, teilt der Sprecher des Landwirtschaftsministers, Christian Seyfert, mit. Allerdings dürfe es in der Region eigentlich keine „Belästigung von Vögeln“ geben. Zumindest Teile von Eiderstedt seien „als faktische Vogelschutzgebiete anzusehen“ – mit strengen Regeln. Ein Grund, die Knallerei zu verbieten, ist das offenbar nicht. Esther Geißlinger