: Piece by Piece
Lehrreiches aus der Geschichte der Tags und ihrer Writer:das Graffiti- und Hiphop-Filmfestival „Rhythm of the Line“
Das Eiszeitkino in Kreuzberg ist das Zentrum von „Rhythm of the Line“, dem „Internationalen Graffiti & Hiphop Film Festival Berlin“, das noch bis zum 17. April läuft. 70 Dokumentar-, Spiel- und Kurzfilme aus allen möglichen Ländern werden gezeigt. Es geht um Graffiti, Rap, Hiphop, Drogen, Sportschuhe und Waffen, etablierte Graffitikünstler, deren Sachen in Gallerien rumhängen, und Gruppen mutiger Guerillawriter, die die Städte mit ihren Zeichen bemalen; geheimnisvollen Hieroglyphen, die oft nur Eingeweihten verständlich sind und von Abenteuern jenseits der Kommerzialisierung von allem erzählen.
Auf dem Weg ins Eiszeitkino hängen viele weiße Blätter an den Wänden: „Bitte keine Tags“. Daneben gibt es Tags, die aber zuvor schon hingemalt wurden. Im Hof gibt es große „Red Bull“-Sonnenschirme und eine vereinsamte Bar mit Grill. Im Treppenhaus wird viel Englisch gesprochen, aber auch Französisch oder Deutsch. Migrantische Jugendliche sah man am ersten Tag des Festivals eher selten. Die Stimmung ist prima. Viele Besucher haben Digitalkameras dabei, mit denen sie dauernd fotografieren. Meist sind sie in kleinen Gruppen gekommen.
Ich gucke mir zwei lange Dokumentarfilme an. Der französische Film „Writers“ (d. i. der bessere Begriff für Graffitimaler) erzählt die Geschichte der Pariser Graffitibewegung von ihren Anfängen in den 80ern bis in die Gegenwart. Pariser Writerlegenden wie Bando und Mode2 erzählen, wie es war, wie wer wen beeinflusste und wie sich die Helden unterschiedlicher Graffitistädte getroffen und ihre Styles ausgetauscht hatten. Der Film ist „dope“, wie wir Writer sagen, aber leider zu schnell geschnitten, um die einzelnen Kunstwerke genau angucken zu können. Das ist in der lehrreichen Dokumentation „Piece by Piece“, die die Geschichte der Graffitibewegung in San Francisco erzählt, nicht anders. Dafür gibt’s dann die DVD mit Fototeil. Am besten ist der Name der Gang: Hierographical Transcendental Knowledge. Der Regisseur ist übrigens mit seinem Rad vom Tegeler Flughafen nach Kreuzberg gefahren – respect!
Während gerade in Kreuzberg manche Graffiti schon 20 Jahre alt sind, werden sie in San Francisco spätestens nach zwei Wochen entfernt. Eines scheint aber in allen Großstädten gleich zu sein: Wurde das Bemalen von Wänden früher eher als Ordnungswidrigkeit verfolgt wurde, gilt es nun – z. B. in den USA – als Kapitaldelikt. DETLEF KUHLBRODT
Programm unter www.rotl.de