This Is The End

25 Jahre nach Jim Morrisons Tod traten die Rumpf-Doors am Donnerstag im Tempodrom auf und spielten bodenständigen Rock

VON TOBIAS RAPP

Er sieht tatsächlich aus wie Jim Morrison. Der späte, bartüberwucherte, einigermaßen aufgeschwemmte und längst nicht mehr gut aussehende Jim Morrison. Aber immerhin. Ian Astbury, Exsänger der Gürtelschnallenrockband The Cult, hat für seinen Job als Frontmann der neu formierten Doors auch die ganze Palette Morrison’scher Bühnengesten studiert: das angespannte Mit-vorgebeugtem-Oberkörper-hinter-dem-Mikrophon-Stehen, die Art, dabei die Hände um das Mikrophon zu legen und ein Bein vor das andere zustellen, um mit dem hinteren Fuß nervös zu wippen. Sogar seine Stimme klingt wie Morrison.

An ihm liegt es also nicht, dass das Konzert der Riders On The Storm (so nennen sich die Doors ohne Morrison aber mit Astbury und ohne den Schlagzeuger John Densore) im sehr gut gefüllten Tempodrom am Donnerstagabend trotz allen Vergnügens, das man zwischendrin auch hatte, am Ende doch recht enttäuschend war. Der Keyboarder Ray Manzarek und der Gitarrist Robbie Krieger bilden das Zentrum der Gruppe, und auch wenn es sich ein wenig ungebührlich anhören mag, ausgerechnet ihnen diesen Vorwurf zu machen: Sie haben leider die Doors nicht verstanden.

Was viel mit der Entscheidung zu tun haben dürfte, einen Bassisten zu engagieren. Den hatten die Doors nie gehabt, und zusammen mit dem Jazzhintergrund ihres Schlagzeugers waren es gerade die Bassfiguren, die Mazarek mit der linken Hand auf seine Orgel tupfte, die der Band einen so besonderen Sound gaben. Tight, aber verspult. Psychedelisch, aber Pop. All das fiel hier aus. Manzarek, Krieger und Astbury interpretierten die Doors als bodenständige Rockband vor Blueshintergrund.

Das hatte natürlich auch seine großartigen Momente. Dieses ganze Rockmänner-Ding, für das Morrison auch steht, schaute man sich doch gerne noch mal an. Dieses ewige Bedürfnis, zur anderen Seite durchzubrechen, wo immer das auch sein mag, diese sexy Verzweiflung, zu dem besseren Wissen der Frauen keinen Zugang zu haben: „Girl you gotta love your man / Take him by the hand / Make him understand“, wie es in „Riders On The Storm“ so schön heißt. Dementsprechend war auch die Songauswahl: Heuler wie „Touch Me“ oder „Love Me Two Times“ liefen wunderbar durch, genau wie der „Alabama Song“. Auch „When The Music’s Over“ mit seinem endlosen Gitarrenschrammel-Mittelteil und der tollen, im neuen Kontext noch einmal extra großartig-sinnfreien Jaul-Zeile „I cancelled my subscription on resurrection“ wusste zu gefallen.

Nun war Morrison zwar ein sagenhaft überschätzter Dichter, aber ein großartiger Songwriter. Allerdings spielten die Rumpfdoors weder „Crystal Ship“ noch „Waiting For The Sun“ oder „Hello, I Love You“. Keiner der eindeutigen poppigen Songs der Doors fand seine Weg auf die Bühne des Tempodroms. Immerhin gab es dann bei den beiden Zugaben „Riders On The Storm“ und „Light My Fire“ Gelegenheit, die psychedelischen Anteile des Doors-Sound zu besichtigen. Auf einmal machte das Schlagzeug keinen Lärm mehr, sondern hielt sich im Hintergrund, um Manzarek Raum für sein Regentropfengeorgel zu geben.

Als Mittdreißiger war man einer der Jüngsten im Publikum – für alle nach 1975 Geborenen dürfte Morrison einigermaßen uninteressant sein, die holen sich das ganze Er-sieht-nicht-nur-aus-wie-Jesus-er-ist-auch-für-uns-gestorben-Programm bei Kurt Cobain ab. Tatsächlich ist es ja äußerst verwunderlich, wie unwichtig die Doors für das zeitgenössische Musikschaffen sind: Noch die obskursten Bands der späten Sechziger und frühen Siebziger müssen als Vorbild für junge Musiker herhalten. Einflüsse der Doors finden sich aber nicht einmal in Spurenelementen.

Wobei Manzarek wiederum auf eine ziemlich verstrahlte Art und Weise versuchte, den Anschluss an die Gegenwart zu halten: Er sei gegen George W. Bush, begann er eine seiner Ansagen, und während man schon die übliche Anbiederung an das europäische Publikum witterte, fuhr er fort, dass es ihn sehr freue in Berlin zu sein: mit der Hilfe der positiven Energie der Love Parade werde man Bush schon aus dem Amt treiben. Tatsächlich lugte aus seinem Georgel nachträglich zumindest ein Vorschein von Goa Trance hervor.