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Archiv-Artikel

Paris stützt Regime

VON DOMINIC JOHNSON

Es war eine makabre Inszenierung. Auf den Stufen des Parlamentsgebäudes in Tschads Hauptstadt Ndjamena stellte sich Territorialminister Mahamat Ali Abdallah am Donnerstag zwischen blutigen Leichen vor die Presse und verkündete: „Die Situation ist unter Kontrolle.“ Der Versuch von Rebellen, Präsident Idriss Déby zu stürzen, sei zurückgeschlagen worden. Déby selbst erklärte: „Wir haben das Abenteuer sudanesischer Söldner beendet.“

Im Morgengrauen am Donnerstag waren im Stadtzentrum von Ndjamena schwere Kämpfe ausgebrochen. Regierungssoldaten und Rebellen der FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) lieferten sich blutige Gefechte, nachdem in der Nacht eine FUC-Kolonne bis in die Hauptstadt vorgedrungen war. Den Rebellen war in der vergangenen Woche eine Blitzoffensive quer durch den Tschad gelungen, von Ost nach West über die Stadt Mongo. Als sie Ndjamena erreichten, schlug die Weltdiplomatie Alarm – für den bedrängten Déby die denkbar beste Schützenhilfe wenige Wochen, bevor er sich am 3. Mai wiederwählen lassen will.

„Die Rebellen wurden in die Falle gelockt“, analysiert Tschads wichtigster Oppositionsführer Ngarjely Yorongar gegenüber der taz die Ereignisse. „Als sie 50 Kilometer vor Ndjamena standen, rief der französische Botschafter sie an und sagte, er verhandele mit Déby über dessen Rücktritt und sie sollten warten.“ Das Gros der FUC-Kämpfer habe Halt gemacht. Eine kleinere Kolonne zog weiter. Dann habe die französische Luftwaffe die wartenden Rebellen bombardiert. „Als die in Ndjamena eingerückten Einheiten die Raketeneinschläge hörten, dachten sie, das seien ihre Kameraden, die im Anmarsch seien. Also gingen sie selbst in die Offensive und eröffneten das Feuer. Dann nahm die Armee sie in die Zange.“

Nach sechs Stunden Gefechten zählten die Behörden in Ndjamena 200 gefangene und 200 verletzte Rebellen. Gestern führte die Armee mitten in der Stadt 160 Gefangene der Bevölkerung vor. „Das sind Kinder von Hirten aus der Umgebung, die man festgenommen hat“, spottet Yorongar und warnt: „Die Rebellen sind in einer Position der Stärke.“

Gestern wurden Kämpfe am anderen Ende des Landes gemeldet, in Adré an der sudanesischen Grenze. Laut FUC wird auch bei Sarh im Süden des Tschad gekämpft. Man habe aus Ndjamena einen „taktischen Rückzug“ von 50 Kilometer eingeleitet; die wichtigsten Rebellenstellungen befänden sich nun 200 Kilometer östlich.

Was Ndjamena angeht, sagt die Menschenrechtlerin Delphine Djaraibe der taz: „Die Lage ist völlig durcheinander. Man sagt, die Rebellen hätten sich unter die Bevölkerung gemischt, und die Armee durchsucht die Häuser. Wir wissen nicht, wer wer ist.“ Djaraibe führt ein parteiunabhängiges Oppositionskollektiv an, das eine politische Initiative gegen den Krieg verlangt. Weder Débys Wahlen noch ein militärischer Umsturz könnten dem Tschad Frieden bringen, sagt sie und verlangt nach einer Wahlverschiebung „bedingungslose politische Verhandlungen, um einen friedlichen Übergangsprozess im Tschad einzuleiten“.

Dafür wäre die Unterstützung der früheren Kolonialmacht Frankreich wesentlich. Frankreich hat in Tschad 1.200 Soldaten stationiert, die diese Woche um 150 aufgestockt wurden; seine Luftwaffe mit modernen Mirage-Kampfjets leistet für Tschads Armee Luftaufklärung. Am Mittwoch gab ein französisches Kampfflugzeug, wie das Verteidigungsministerium in Paris zugab, einen „Warnschuss“ auf die Rebellen ab – „als politisches Signal“. Das Signal ist angekommen: Rebellen und zivile Opposition verurteilen seitdem einhellig Frankreichs Rolle im Tschadkonflikt.