: Aus aller Welt
SYDNEY ■ Die Lichter wurden ausgeschaltet und die Passagiere schienen unmittelbar darauf schon zu schlafen. Sie waren träge geworden, gelangweilt. Nun begegneten sie der zusätzlichen Nacht mit geschlossenen Augen, die Köpfe zurückgelegt, die Münder schlaff offen stehend wie Dorsche. Alice sah Filme von ablenkender Belanglosigkeit. Die kleine Leinwand vor ihr war ein Versteck, in das man kriechen konnte. Irgendwann stand sie auf, um die Beine zu strecken. Sie schlich vorsichtig den Gang entlang und sah – wie in einem Science-Fiction-Film in Schwarz-Weiß – dass alle in der Stahl- und Aluminiumröhre bewusstlos waren. Es war, als würde das Flugzeug von außerirdischen Luftströmen oder den Absichten irgendwelcher Kreaturen gelenkt. Ein posthumes Blau überzog die Körper und Gesichter. In der Hoffnung auf einen Kaffee ging Alice zur Nische der Stewardessen und fand zwei ebenfalls schlafende Frauen, wobei die eine mit der Wange an der Schulter der anderen lehnte. Leise zog sie sich zurück, staunte darüber, wie weit sich Flugzeuge automatisieren ließen, dass sie trotzdem oben blieben und welche gegen die Schwerkraft gerichteten Vorkehrungen sie überhaupt, was jedem Instinkt widersprach, in der Luft hielten, wenn sie wie geworfen durch die verzerrte ewige Dunkelheit rasten.
GAIL JONES
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SÃO PAULO ■ Das nervt, weißt du? Ich bin hier jetzt über zehn Jahre in der Bude. Zehn Jahre Lokalreporter. Ich halte es nicht mehr aus, Kleinkram zu schreiben oder Meldungen über tote Neger, die man im Wald aufgefunden hat oder vor der Tür des Gouverneurspalastes oder vor dem Haus der Tante des Bürgermeisters. Verdammt, ich hab schon mehr totes Fleisch bearbeitet als die Wurstfabriken von Sadia und Perdigão zusammen. Und das für ein Scheißgehalt. Und wenn man einmal etwas Besseres schreiben will, etwas Tiefgründigeres, Ernstes, dann kommt dieser Typ und piesackt dich. Das wäre die Chance, mein Leben zu ändern, Prestige zu bekommen oder wenigstens, verdammt noch mal, eine Gehaltserhöhung. So, wie es läuft, mein Freund, geht es nicht weiter. Ich steige aus. Ich hab’ keine Lust, wie Eusébio zu enden, der sein Leben lang gebuckelt hat, Chefredakteur vom Correio war, Herausgeber der Gazeta, und am Ende war er arbeitslos. Und das, nachdem er fünf Jahre Verkehrsunfälle gemacht hat. Heute hängt er rum, schreibt frei wie ein blöder und hechelt hinter Stadtverordneten her, um vielleicht mal was als Pressesprecher in der Stadtteilverwaltung von São Gonçalo zu bekommen.
FERNANDO MOLICA