: Verbrecherjagd in den eigenen Reihen
35 Polizisten mussten in den vergangenen zwei Jahren entlassen werden. Unter den Kündigungsgründen finden sich fast alle denkbaren Straftaten: von der Falschaussage über Verrat von Dienstgeheimnissen bis hin zu schwerem Raub
Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 35 Berliner Polizeibeamte durch Kündigung des Arbeitgebers – also des Polizeipräsidenten – aus dem Dienst entlassen worden. So steht es in der Antwort von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf eine kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten und Vorsitzenden des Innenausschusses, Peter Trapp.
35 von derzeit rund 16.200 Polizisten und Polizistinnen – das erscheint zunächst nicht viel. Doch um einem Beamten wirksam kündigen zu können, muss dieser schon goldene Löffel stehlen oder etwa ein Polizist zu einer Haftstrafe von über 12 Monaten ohne Bewährung verurteilt werden. Nicht umsonst bleiben beispielsweise Gerichte bei Verurteilungen wegen Körperverletzung im Amt meist unter dieser Grenze. Es lohnt also, sich die Zahlen etwas genauer anzusehen. Tatsächlich findet sich in den Kündigungsgründen der 24 im Jahre 2004 und der 11 im Jahr 2005 entlassenen Polizisten außer Mord nahezu die ganze Palette möglicher Straftaten.
Ungenehmigte Nebentätigkeiten gehören zu den eher harmlosen Delikten, auch wenn schon hier Zweifel aufkommen können, wenn sie, wie in mindestens einem Fall, in Zusammenhang mit Bordellen stehen. Hinter „Verletzung von Dienstgeheimnissen“ verbirgt sich meist der unberechtigte Blick in den Polizeicomputer und die Weitergabe der so erlangten Informationen an dritte Personen außerhalb der Polizei. Dies kann der Freundschaftsdienst für einen Kumpel, der an einer roten Ampel geblitzt wurde, ebenso sein wie die Warnung vor einer drohenden Razzia.
Weitere Delikte, die 2004/2005 zur Entlassung führten, sind Trunkenheitsfahrten, uneidliche Falschaussage, Nötigung und Beleidigung (auch auf sexueller Grundlage) sowie Strafvereitelung und Bestechlichkeit. Auch ganz harte Dinger haben sich einige Polizisten zuschulden kommen lassen: Bandendiebstahl und Hehlerei, schwerer Raub und in zwei Fällen auch sexueller Missbrauch von Kindern führten zum Rauswurf von Ordnungshütern.
Die Bilanz der Vorjahre sieht nicht viel anders aus. So mussten nach Polizeiangaben 2003 8 Beamte ihren Stern abgeben, 2002 waren es 19, 2001 insgesamt 23 und im Jahre 2000 dann 22. Gegen weitere 61 wurde in dieser Zeit ein „Verbot der Amtsausübung“ ausgesprochen.
Nicht selten ist dies die Vorstufe zur endgültigen Entlassung, da sie bedeutet, dass die Ermittlungen zwar noch nicht abgeschlossen sind, der Vorwurf gegen den jeweiligen Beamten jedoch schwerwiegend genug ist, um ihn erst einmal aus dem Dienst zu entfernen.
CDU-Innenexperte Trapp, selbst gelernter Polizist, zeigt sich über den nahezu gleich bleibenden Stand von Beamten, die kriminell werden, „erschreckt“ und fordert, sich über angehende Polizei-Azubis wie früher wieder ein „Leumundsbild im Wohnumfeld“ zu verschaffen. „Der Sozialisationshintergrund spielt ja heute keine Rolle mehr“, sagt er.
In einem aktuellen Fall hätte dies nichts genützt, denn gerade wurden wieder vorläufige Amtsverbote ausgesprochen und drei hochrangige Polizeiführer vorerst umgesetzt. Sie sollen von einem weiteren 57-jährigen Beamten des Polizeiabschnitts 32 Gratiseintrittskarten für Konzerte und sonstige Veranstaltungen angenommen haben, die sich dieser „unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung“ verschafft haben soll. Otto Diederichs