: „Die sind ästhetisch und moralisch verschlissen“
Kultursenator Flierl will das Denkmal für die Bücherverbrennung vor den Buddybären schützen. Am Bebelplatz seien uniforme Massenversammlungen nicht angebracht. Von den spießigen Bären solle man sich souverän verabschieden
taz: Herr Flierl, Sie haben erst durch eine mündliche Anfrage Ihres Fraktionskollegen Brauer im Kulturausschuss von der geplanten Aufstellung von Buddybären auf dem Bebelplatz erfahren. Warum hat man Sie nicht eher informiert?
Thomas Flierl: Die Aufstellung der Bären wurde als so genannte Sondernutzung des Straßenlandes vom Tiefbauamt des Bezirks Mitte genehmigt. Der Umgebungsschutz des Denkmals wurde offenbar übersehen. Formal muss weder die Denkmalbehörde noch die Kulturverwaltung beteiligt werden. Der Bebelplatz ist aber kein alltäglicher Ort, sondern er beherbergt ein Denkmal für die Bücherverbrennung der Nazis, die 1933 dort stattfand.
Vielleicht locken die bunten Bären aber Touristen auf den Bebelplatz, die sich sonst nicht mit dem Denkmal beschäftigt hätten …
Das Forum Fridericianum mit dem Denkmal für die Bücherverbrennung spiegelt deutsche, preußische und nationalsozialistische Geschichte wider. Es braucht nicht der Aufmerksamkeit durch Bären, um dieses einzigartige Ensemble zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Die Versammlung der Buddybären ist ja nicht auf das Denkmal hin konzipiert. Erst standen sie im Kreis am Pariser Platz, jetzt soll der Bebelplatz ihre neue Tingstätte werden. Vor solch banalen Nutzungen sollte das Denkmal geschützt werden.
Unter dem Bebelplatz gibt es mittlerweile eine Tiefgarage, im letzten Winter wurde die Fläche sogar als Eisbahn genutzt. Was finden Sie denn an bunt angemalten Bären so besonders schlimm?
Trotz anfänglicher Bedenken finde ich, dass die Tiefgarage dem Charakter des Denkmals nicht geschadet hat. Anders ist es mit temporären Nutzungen, die den freien Platz mit seinem Gedenken an die Bücherverbrennung beeinträchtigen. Bei der Eisbahn sind es immerhin Menschen, die den Platz beleben, die Werbung war zurückhaltend. Bei den Buddybären habe ich jetzt in Abstimmung mit dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses dem Bezirksbürgermeister einen Brief geschrieben, mit der Bitte, die Entscheidung noch mal zu überdenken. Gerade an diesem Platz sind uniforme Massenversammlungen fehl am Platz. Wenn man das Denkmal mit einer Freudengruppe von zu Maskottchen heruntergekommenen Werbefiguren umstellt, weckt das doch sehr merkwürdige Assoziationen!
Aber irgendwo müssen diese über 120 Bären ja hin. Ihr Fraktionskollege Wolfgang Brauer schlug vor, sie in den Lustgarten zu stellen. Was halten Sie davon?
Auch der Lustgarten ist für kitschige Massenaufmärsche völlig ungeeignet. Vielleicht könnte man sie in die Königsallee stellen und den seriellen Charakter preußischer Ahnenbeziehungen auf den seriellen, uniformierten Charakter dieser Bären übertragen. Obwohl, das stimmt ja alles vorn und hinten nicht, wie bei den Bären.
„Heruntergekommen, seriell, uniformiert“ – Sie haben was gegen diese Bären, stimmt’s?
Mich stößt diese Mischung aus niedlichem Kitsch, Kindchenschema und massenhafter Fertigung ab: Unter der scheinbar individuellen Bemalung steckt die immergleiche Form. Eine Zeit lang haben diese Bären ganz erfolgreich Berlin repräsentiert, aber heute sind sie ästhetisch und moralisch verschlissen. In größeren Mengen mag ich die eigentlich nicht mehr sehen. Eine Kitschversion des Wappentiers ist auf Dauer zu banal, um der gelebten Vielfalt unserer Stadt gerecht zu werden.
Hat der Bär als Berliner Symbol ausgedient?
Als ehrwürdige Symbole haben Wappentiere heute ihre Bedeutung verloren. Nur wo man sich mit der eigenen Identität schwer tut, projiziert man alles auf das banale Surrogat eines Wappentiers. Das offizielle Signet der Berliner Kommune ist übrigens das Brandenburger Tor.
Aber ist das Brandenburger Tor nicht auch reichlich unorginell?
Tatsächlich, Berlin als Stadt des Designs kann mehr. Ein Wettbewerb wäre schön, es könnte ja ein Ensemble von Gestaltungselementen sein, die Berlin repräsentieren. Von diesen Bären sollte man sich jedenfalls souverän trennen. Es finden sich bestimmt Liebhaber, an die man sie versteigern oder verschenken könnte …
Dann sollen nun Berliner Politiker künftig die halbe Welt mit den Buddybären beschenken?
Warum nicht? Gastgeschenke sind fast immer sehr konservativ, so ein spießiger Buddybär käme zu manchen Gelegenheiten gerade recht! Andererseits verweist das Geschenk stets auch auf den Schenkenden zurück … Ich persönlich greife nicht gern in die Asservatenkammer der Kitschgeschenke. Als ich letztens in Amerika war, habe ich Bücher über die Zwischennutzung des Palasts der Republik geschenkt, die haben reißenden Absatz gefunden. INTERVIEW: NINA APIN