LESERINNENBRIEFE :
Fontane’sche Tragik
■ betr.: „Demokratie ist kein zu weites Feld“ u. a., taz vom 28. 9. 13
Prima war „Demokratie ist kein zu weites Feld“ von Felix Dachsel. Eine Verbindung zu schaffen von Fontanes Meisterwerk „Effi Briest“ zum System Merkel/Wahlen 2013 ist ebenso originell wie frappant begründet von diesem erst 26-jährigen Autor.
Er hat offenbar schon den politischen Durchblick, das hohle, ängstlich-kalkulierende Status-quo-Gehabe sowohl des Wahlvolkes als auch führender Politiker zu erkennen und anhand Fontane’scher Tragik darzulegen: alle Achtung. Einzig bei den aufgezählten Problemen unserer Zeit wie Eurokrise, wachsende Einkommensklüfte, Klimawandel, Terrorismus, Kriege fehlt (wie gewöhnlich) der Begriff Überbevölkerung.
Sehr kompetent, schlüssig und nachvollziehbar einmal mehr Peter Unfrieds „Sapprament“ über den grünen Katzenjammer und Ursachensuche nach der verlorenen Wahl. Es war aber trotz des Dilemmas mutig und sinnvoll von Jürgen Trittin, die Grünen auf „breitere Beine“ zu stellen, sich besonders mit der Steuerpolitik zu beschäftigen. Er wäre gewiss ein sehr guter Finanzminister geworden, was ja immer noch werden kann, nimmt man Unfrieds brillante Glosse „Die eine Frage“ an anderer Stelle in der taz ernst. Zwei Einwürfe hätte ich aber für den taz-Chefreporter: Ist der Begriff „Ströbele“ nicht eigentlich schwäbisch, und wie bitte führt man/frau sich auf als „kulturell identitär“?
Ebenso kurios, klug und stimmig der Kommentar von Ines Kappert „Wachsen mit Angela“ über mehr Schein als Sein von triftigen Wahlaussagen. ALBERT REINHARDT, Stralsund
Sagt es, wie es ist
■ betr.: „Roma unter Hollande nicht besser dran als unter Sarkozy“, taz vom 27. 9. 13
Ihr berichtet in dem Artikel recht allgemein und ohne die zu erwartende Detailtreue von den Repressionen gegen Roma durch die „sozialistische“ Regierung in Frankreich. Dabei gelangt ihr zu dem Schluss, dass „die Roma-Problematik“ ein heißes Eisen sei und bei den nächsten Wahlen „instrumentalisiert“ werden dürfte.
Warum sagt ihr nicht einfach und klar, dass der Antiziganismus (bzw. Antiromaismus) auch in Frankreich ein großes Problem darstellt und bei den nächsten Wahlen zu Propagandazwecken benutzt werden wird? Schließlich sind ja nicht die Roma das Problem, sondern die ihnen entgegengebrachte rassistische Hetze.
Wenn es zum Schluss in eurem Bericht heißt, die „Sozialisten wollen da den Rechten nicht das Feld überlassen“, kann ein_e Leser_in in die Irre geführt werden und glauben, die Sozialisten würden hier Initiative gegen rechte Propaganda ergreifen.
Auch in diesem letzten Satz wäre eine klarere Aussage wünschenswert, sodass deutlich wird, dass die Sozialisten unter Hollande weder einen antirassistischen Wahlkampf planen noch für die republikanischen Werte Freiheit, Gleichheit und Solidarität in Bezug auf ethnisch mobile Minderheiten eintreten werden. Sagt’s doch einfach, wie es ist. JOHANNES HARTINGER, Oberhausen
Normale Härte in Katar
■ betr.: „Sklaverei für das Fußballfest“, taz vom 28. 9. 13
Die Zustände in Katar um den Bau der Fußballstadien sind dort doch ganz normale Härte. In einem Land, wo sich die Auftraggeber Dutzende Luxuswagen, die teuersten Rennpferde und traditionsreiche europäische Fußballvereine als kleines Hobby leisten können, werden von Arbeitern aus Asien und Afrika schon immer zum Hungerlohn Luxushotels und noble Wolkenkratzer hochgezogen.
Frauen von den Philippinen oder aus Pakistan gehen derweil „Frau Scheich“ im Haushalt und bei den Kindern zur Hand. Natürlich auch mit Einsatzbereitschaft rund um die Uhr und einem Taschengeld als Bezahlung.
Dem gemeinen Europäer ist es meistens egal, er kann als Fußballfan, Tourist oder Geschäftspartner die Prachtbauten bestaunen und daheim von dem unbürokratischen Tempo schwärmen, in dem immer größerer Luxus entstehen und serviert werden kann.
MARKUS MEISTER, Kassel
Superintrige, geschickt eingefädelt
■ betr.: „Im Grünen was Neues“ u. a., taz vom 26. 9. 13
Da überkommt einen das Grausen. Gerade eine so intensiv diskutierende Inhalte-Partei hat beim Wahlprogramm nicht richtig nachgedacht? Dreht ihr Programm um, nur weil die Wähler nicht in Scharen gekommen sind? Waren es denn nun richtige oder falsche Maßnahmen, die man vorgeschlagen hat? Hat man den Wählern etwa Unsinn vorgeschlagen?
Hofreiter meint immerhin, die Wähler hätten die Steuerpläne nicht verstanden, und ob sie überhaupt davon betroffen gewesen wären. Das ist der richtige Ansatz, denn die meisten Wähler werden von einem Einkommen nur träumen, ab dem sie wirklich mehr zahlen müssten.
Aber der Realoflügel behauptet wohl, es war alles Quatsch, hat vorher aber nix gesagt und allem zugestimmt, um jetzt die Grünen zu einer neuen FDP zu machen. Superintrige, geschickt gegen Trittin eingefädelt. Auch hier macht ihr die FDP super nach. Hauptsache erst mal Pöstchen diskutieren, statt nachzudenken, wie man aus vorhandenen Mehrheiten gegen Schwarz Regierungen macht … und vielleicht auch mal darüber nachdenken, wie man Themen setzt und beim Wähler unterbringt, statt ihm nach dem Mund zu reden.
THOMAS KELLER, Königswinter