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Archiv-Artikel

Antarktisschutz schmilzt dahin

UMWELT Damit auch Russland und die Ukraine mitmachen, soll die Schutzzone im ökologisch wertvollen Rossmeer um 40 Prozent kleiner werden als ursprünglich geplant. Umweltschützer sehen das kritisch

STOCKHOLM taz | Die Bemühungen um die Ausweisung großer Meeresschutzgebiete vor den Küsten der Antarktis haben einen Rückschlag erlitten. Zwar beabsichtigt die Mehrzahl der Vertragsstaaten des Antarktis-Abkommens nach wie vor, solche Schutzzonen zu schaffen. Doch ein dementsprechender Vorschlag wurde nun gründlich verwässert.

Nachdem ein von Neuseeland und den USA vorgelegter Plan bei einem Treffen im Juli in Bremerhaven vor allem am Widerstand Russlands und der Ukraine gescheitert war, haben Wellington und Washington ihren Entwurf jetzt revidiert. Das ursprünglich vorgeschlagene 2,3 Millionen Quadratkilometer große Meeresschutzgebiet im Rossmeer, von dem etwa zwei Drittel für jegliche Ressourcenentnahme gesperrt werden sollte, ist in einer neuen Vorlage um 40 Prozent geschrumpft worden. Begründung: Man hoffe, damit die Blockadehaltung von Russland und der Ukraine brechen zu können.

Mit ihrem Nein hatten die beiden Länder auf der Sondersitzung der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis (CCAMLR) die in dem Gremium erforderliche Einstimmigkeit verhindert. Das Thema soll aber bei der Jahrestagung der CCAMLR erneut verhandelt werden, ab 23. Oktober im australischen Hobart. Dabei wird es nicht nur um weniger Meeresschutzfläche in dem der Südküste der Antarktis vorgelagerten Rossmeer gehen. Nun ist auch von einem permanenten Schutzgebiet ausdrücklich keine Rede mehr. Die zeitliche Dauer der Ausweisung der Zone wird zur Verhandlungssache erklärt.

Die Ozeane vor dem Südkontinent sind so unberührt wie kaum eine andere Region der Welt. Hier leben Pinguine, Robben, Wale, Delfine, Tintenfische und Albatrosse, im nährstoffreichen Wasser gedeihen Myriaden Kleinkrebse, der Krill.

Deshalb sind Umweltengagierte verärgert: Die Antarktisschutzorganisation Antarctic Ocean Alliance spricht von einem „schweren Schlag gegen den Rossmeer-Schutz“. Es sei falsch von den USA und Neuseeland, ohne Rücksprache mit den übrigen 23 Mitgliedsländern des „Antarktis-Vertrags“ Zugeständnisse zu machen.

Aus wissenschaftlicher Sicht sei eine solche Verkleinerung und Aufweichung des Meeresschutzes nicht zu rechtfertigen, betonte auch der WWF. Das Rossmeer gilt als letzter fast unberührter Ozean des Planeten, ein einzigartiges Ökosystem, das von industrieller Verschmutzung noch nicht betroffen und von Überfischung weitgehend verschont ist. Das Gewässer bedürfe eines umfassenden Schutzes, nicht nur einiger Schutzzonen. Bei den nun aus dem ursprünglichen Vorschlag herausgenommenen Meeresflächen handle es sich um Schlüsselgebiete, in denen der Seehecht laicht und aufwächst, rügen die Umweltschützer.

Wenn die Schutzgebiete verkleinert würden, verliere das gesamte Schutzkonzept für die Meere rund um den Südpol seinen Sinn, kritisierte der WWF. Wenn es auf Grundlage des revidierten Vorschlags zu einer Einigung komme, würde es sich zwar immer noch um das weltweit größte bislang ausgewiesene Meeresschutzgebiet handeln – aber die Schutzidee wäre Makulatur.

Nun würden „kampflos die Blockierer belohnt“, beklagte die New York Times: „Es scheint nur noch darum zu gehen, einen Verhandlungsprozess am Leben zu erhalten, nicht ein Ökosytem. Das macht nun jeden, auch die ‚guten Jungs‘, an dem Versagen mitschuldig.“

Gewonnen hätten die Fischfangnationen, neben Russland und der Ukraine auch Japan, Südkorea, China und Norwegen. Diese Länder wollten wohl auf ihre einträglichen Fanggründe nicht verzichten – und den Raubbau an den weltweiten Fischbeständen einfach fortführen.

REINHARD WOLFF