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Archiv-Artikel

Wenn die Arbeit den Nachtschlaf raubt

In der Computerbranche leiden nach einer neuen Studie zwei von fünf Beschäftigten unter chronischer Erschöpfung. Gerade Projektarbeit fördert den Burn-out. Besonders gefährlich ist Dauerstress, der länger als acht Wochen anhält

BERLIN taz ■ Sie gelten als die Vorreiter einer modernen Arbeitskultur: selbstbestimmt, hochmotiviert, qualifiziert. Doch jetzt zeichnen Sozialforscher über die Beschäftigten in der IT-Branche ein ganz anderes Bild. Die MitarbeiterInnen in den untersuchten Softwarefirmen litten bis zu viermal häufiger unter psychosomatischen Beschwerden als die Durchschnittsbeschäftigten, ergab eine neue Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen.

Die Branche der Informationstechnik stelle eine Art „Leitbranche“ für Arbeit in der Wissensgesellschaft dar, so die IAT-ForscherInnen Anja Gerlmaier und Erich Latniak. Charakteristisch für die Branche sei die „Projektarbeit“, also die Bewältigung von wenig routinisierten Arbeitsaufgaben, die an wechselnden Kundenwünschen orientiert sind. Doch was von manchen Wirtschaftspolitikern gern als schöne neue Jobwelt gepriesen wird, entspricht oft nicht den Bedürfnissen der Psyche.

Für die IT-Beschäftigten erweist sich die vermeintliche Flexibilität oft als höchst widersprüchliche Anforderung. Sie müssen einerseits auf immer neue Zusatzwünsche der Kunden eingehen, dürfen andererseits aber auch das Kostenlimit nicht überschreiten und müssen termingerecht fertig werden.

Übermäßiger Stress entstand auch dann, wenn den Softwarespezialisten etwa noch zusätzliche Dokumentationsaufgaben auferlegt wurden oder technische Probleme durch fehlerhafte oder unangemessene Hardware- und Softwarekomponenten auftraten. Oft sind die Fachleute zudem in mehrere Projekte gleichzeitig eingebunden. Die Sozialforscher hatten für die Studie Fachkräfte in sieben Projektgruppen an vier Unternehmen mehrfach befragt.

Projektarbeit werde „wegen hoher Autonomie- und Freiheitsgrade als vermeintlich gute Arbeit angesehen“, so Gerlmaier und Latniak. Aber: „Die Befunde unserer Untersuchung relativieren und differenzieren die Annahme erheblich.“ 41 Prozent der Befragten wiesen „massive Anzeichen einer chronischen Erschöpfungssymptomatik“ auf. 31 Prozent konnten nach eigener Aussage nach der Arbeit nicht mehr „abschalten“, was als Vorstufe zum Burn-out gilt. Chronische Müdigkeit fand sich bei den IT-Fachkräften mehr als viermal so häufig wie im Durchschnitt der Beschäftigten. Unter dauerhafter Nervosität litten im Vergleich zum Durchschnitt mehr als doppelt so viele IT-Leute.

Die Chance, den Stress verarbeiten zu können, hängt dabei stark von den Erholungsphasen ab. So zeigten Projektmitarbeiter, die acht Wochen und länger hohe Anspannungswerte hatten, sehr viel stärkere Erschöpfungssymptome als eine Vergleichsgruppe mit zwischenzeitlichen Erholungspausen. Die Sozialforscher empfehlen daher regelmäßige Erholungsphasen bei der Arbeit, „etwa mehrere über den Tag verteilte Pausen und ein konsequentes Freihalten der Wochenenden“, heißt es in der Studie, die im Internet nachlesbar ist (www.iatge.de). Blockurlaubszeiten und Sabbaticals seien hingegen nicht so wirksam bei der Stressentlastung.

Den MitarbeiterInnen sollten zudem mehr Verhandlungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Die „Rahmenbedingungen der Projektarbeit“ müssten auch „zum Gegenstand der Verhandlung mit den Kunden“ gemacht werden, raten die IAT-Forscher. Dabei sollten den Mitarbeitern mehr Spielräume zur „Arbeitsgestaltung und -planung“ eröffnet werden. Die „betriebliche Arbeitszeitpolitik“ müsse zudem „präventiver“ sein.

BARBARA DRIBBUSCH