: Ganz schön old-fashioned
Gut, dass Jerome Kern und Johnny Mercer im Jahre 1942 die Köpfe zusammengesteckt haben, um „I’m Old Fashioned“ zu schreiben. Okay, das war nicht nur ihre Idee, die beiden komponierten das Stück als Auftragsarbeit für den Film „You Were Never Lovelier“, in dem dann Fred Astaire und Rita Wayworth dazu das Tanzbein schwangen.
71 Jahre später ist es jedenfalls einer der „Standards“, derer sich Britta-Ann Flechsenhar auf ihrem gleichnamigen Album annimmt. Das Wort „Standards“ ist in diesem Fall ziemlich dehnbar, denn das Flechsenhar Trio interpretiert nicht bloß die unter diesem Sammelbegriff bereits erfolgreich tot gedudelten Gershwin- oder Rodgers-Kompositionen. Im Angebot sind stattdessen Gassenhauer wie „Tea For Two“ oder „A Taste of Honey“, das einst die Beatles bekannt machten, aber auch uralte, weitgehend vergessene Popsongs wie „I’ll Be Seeing You“ aus dem Jahre 1938 oder des Abstaubens würdige Jazz-Klassiker wie Gil Evans großartiges „Where Flamingos Fly“.
All das singt Flechsenhar, die nicht nur Stammgast ist auf der Bühne des Charlottenburger A-Trane, sondern auch gleich dessen Hauspianisten Andreas Schmidt in ihr Trio aufgenommen hat, ohne große Überraschungen, aber dafür mir viel Gefühl und noch mehr technischer Finesse. Meist verlangsamen Schmidt und Bassist Jan Roder das Tempo – ein gern genutzter, nichtsdestotrotz aber doch immer wieder effektiver Trick bei der Interpretation altgedienter Klassiker, weil er viel Platz für die Stimme schafft, deren Spektrum Flechsenhar nun weidlich demonstrieren kann. „I’m old-fashioned and I don’t mind it“, singt sie, und dem ist nicht viel hinzuzufügen.
Sehr viel entschiedener der Zukunft zugewandt gibt sich dagegen das Mira Mode Orchestra. Das bis zu zwölf Musiker starke Projekt spielt auf seinem Debüt „Restless City“ vornehmlich Kompositionen seines Bandleaders und Saxofonisten Ede Merkel, die mal nach traditioneller Filmmusik klingen, dann aber auch wie der Techno-Jazz-Hybrid von Brandt Brauer Frick.
Aus satten Bläsern und abwechslungsreicher Perkussion, aufmüpfigem Klavier und urbanen Klangfetzen schafft das Mira Mode Orchestra ein faszinierendes Klangbild, das direkt dem Treiben ihrer Heimatstadt Berlin abgelauscht scheint – und entsprechend lebendig ist das Ergebnis. THOMAS WINKLER
■ Flechsenhar Trio: „Standards“ (Gligg Records), Record Release Konzert am 3. 10. im A-Trane ■ Mira Mode Orchestra: „Restless City“ (Double Moon), Live am 4. 10. im Urban Spree