: Erschossen von Amts wegen
POLIZEI Zehn Kugeln gegen ein Messer – ist das Notwehr? Der Anwalt Hubert Dreyling vertritt Menschen, deren Angehörige bei Polizeieinsätzen getötet wurden
BERLIN taz | Jedes fünfte Mal, das hierzulande aus einer Polizeiwaffe auf Menschen gefeuert wird, überleben die Getroffenen nicht. Seit 2000 wurden 90 Menschen in Deutschland von Polizisten erschossen; 2012 waren es acht. Im selben Jahr starben drei Polizeibeamte durch Angriffe.
Viele Beamte sind nach einem tödlichen Schusswaffeneinsatz ein Leben lang traumatisiert, nur ein Drittel kehrt schnell in den Dienst zurück. Hinter den Zahlen verbergen sich klare Fälle von Notwehr. Es sind aber auch Fälle darunter, die in der Öffentlichkeit heftige Kritik auslösen, von der Justiz jedoch nur schleppend untersucht werden – wie jener des 2009 mit 12 Schüssen getöteten Studenten Tennessee Eisenberg. Beamte schießen manchmal „ohne akute Gefahr“, sagt der Anwalt Hubert Dreyling. Er vertritt die Familien von André Conrad und Manuel F.. Beide wurden im letzten Jahr in Berlin erschossen, beide standen unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen – und beide bedrohten Polizisten mit Messern. Dreyling will die Schützen vor Gericht bringen. Totschlag statt Notwehr lautet sein Vorwurf. CJA
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