: Höchste Alarmstufe
AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL
Israels Premierminister Ehud Olmert will vorläufig von Angriffen gegen die Hamas-Führung absehen – obschon er die palästinensische Regierung als verantwortlich für den jüngsten Anschlag erklärte. Gleichzeitig sollen die gezielten Exekutionen führender Aktivisten des Islamischen Dschihad intensiviert werden. Die islamistische Bewegung hatte sich zu dem blutigen Attentat am Montag in Tel Aviv bekannt, bei dem neun Zivilisten in den Tod gerissen wurden. Verteidigungsminister Schaul Mofas hatte zunächst dazu geraten, grünes Licht für Angriffe auf die palästinensische Führung zu geben.
Die palästinensische Regierung hatte den Anschlag als „die natürliche Konsequenz der fortgesetzten israelischen Verbrechen gegen unser Volk“ bezeichnet. Als erstes Kabinettsmitglied ging gestern Innenminister Said Seyam an die Öffentlichkeit: „Wir sind keine große Macht, die die Flugzeuge und Raketen der Besatzung aufhalten kann, aber unser Volk hat das Recht, sich zu verteidigen“, meinte er.
Zu dem Maßnahmenpaket, über das Olmert nach mehrstündiger Beratung mit den Ministern und Vertretern des Sicherheitsapparates entschied, gehört die Ausweisung dreier palästinensischer Politiker, die in Ost-Jerusalem wohnhaft sind. Zudem sollen die Straßenblockaden innerhalb des Westjordanlandes erneut intensiviert werden, was für die Bevölkerung dramatische Erschwernisse bedeutet.
Die Aufhebung der Blockaden gehörte stets zu den zentralen Forderungen der USA an Israel. US-Außenministerin Condoleezza Rice verurteilte in einem Telefonat mit ihrer israelischen Amtskollegin Zippi Livni den Anschlag. Ein Sprecher ihrer Regierung nannte die Reaktion der Hamas auf den Anschlag eine „Enthüllung ihres wahren Gesichts“.
Nach Auskunft von Juval Diskin, Chef des inländischen Nachrichtendienstes, ist die Zahl der versuchten Attentate seit dem Machtwechsel in den Palästinensergebieten deutlich gestiegen. Über 80 Anschläge hätten zum Teil „in letzter Minute“ vereitelt werden können. In Israel wurde unterdessen höchste Alarmstufe ausgerufen. Sämtliche Polizeieinheiten sind über die jüdischen Pessach-Feiertage im Einsatz.
Der jüngste Anschlag stellt nicht nur Israels Premierminister, der sich auf dem Höhepunkt der Koalitionsverhandlungen befindet, vor eine Bewährungsprobe, sondern auch die erst seit wenigen Wochen amtierende Hamas-Regierung. Premierminister Ismail Hanija hatte nicht zuletzt aufgrund der leeren Haushaltskassen einen Waffenstillstand in Aussicht gestellt. Der jüngste Anschlag bedeutet für ihn einen Schlag ins Gesicht von Seiten des Islamischen Dschihad, der sich derweil als „erfolgreichste“ Terrorbewegung etabliert und bei der palästinensischen Bevölkerung punktet. Mit seinem Schweigen zu dem Gewaltakt des Islamischem Dschihad büßt der junge Regierungschef an Glaubwürdigkeit ein.