: Fatales Holzwegparadigma
Ich unterstütze die Position von Ulrike Herrmann und bin dankbar, dass sie klar macht: Verteilung ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch makroökonomisch unverzichtbar, weil das Gesamtsystem Wirtschaft und Gesellschaft ansonsten zur Polarisierung und Instabilität neigt. Umverteilung ist daher (aber natürlich auch aus Gründen der Gerechtigkeit) eine unverzichtbare politische Aufgabe, ebenso wie Umwelt- und Ressourcenschutz. Hannes Koch hingegen vertritt die typische Defensivposition der Mainstream-Ökonomen, die für die Wirtschaftspolitik von Kohl und Rot-Grün grundlegend war: Das Gerechtigkeitsziel muss in Zeiten der Globalisierung und der Alterung der Gesellschaft aufgegeben bzw. so zurechtgestutzt werden, dass es wettbewerbskompatibel ist. Die Politik agiert nicht mehr, sondern reagiert nur noch. Welch ein resignatives, bequemes und fatales Holzwegparadigma. Von wegen „bedeutet Umverteilung heute, die eine Gruppe auf Kosten einer anderen zu bevorteilen“. Die leistungslosen Vermögenseinkommen sind in den Neunzigerjahren im Vergleich zu allen anderen Einkommensarten weitaus am schnellsten gestiegen. Sie nahmen von 125 Mrd. Euro in 1991 auf 205 Mrd. Euro 2000 zu (+ 64 Prozent). Und: 1997 verfügten 510.000 Bundesbürger über ein Geldvermögen von mindestens 1 Million Euro. Offenbar gibt es in der Krise, die scheinbar alles und jeden im Land erfasst hat, ja doch auch Gewinner. Und: Zwischen 1990 und 2002 konnten Unternehmer und Vermögende in Deutschland ihr durchschnittliches Bruttoeinkommen preisbereinigt um rund 40 Prozent steigern. Die Bruttolöhne und -gehälter pro Arbeitnehmer dagegen stiegen lediglich um sieben Prozent. Betrachtet man die realen Nettoeinkommen, wächst der Abstand weiter. Dann ergibt sich bei den Arbeitnehmern sogar ein Minus von 0,7 Prozent, bei den Beziehern von Gewinn- und Vermögenseinkommen dagegen ein Zuwachs von fast 50 Prozent. Notwendig ist also: Wiedereinführung einer Vermögensteuer, und zwar nicht zu knapp und progressiv, und natürlich auch der Erbschaftsteuer. Damit lässt sich dann auch die notwendige Chancengerechtigkeit durch „bessere Kindergärten, Schulen und Universitäten“ finanzieren. ADI GOLBACH, Berlin