: Unerwarteter Kruzifixfan
Unter den vielen Stimmen aus der Union, die die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan kritisieren, mischt sich eine, die beim ersten Lesen überraschend wirkt: Der junge muslimische Chef der Schülerunion, Younes Ouaqasse, kritisiert Özkan, weil sie sich gegen christliche Symbole an Schulen aussprach. „Diese Frau hat ihre Kompetenzen überschritten“, sagte Ouaqasse der Bild. „Deshalb darf sie am Dienstag nicht zur Ministerin ernannt werden.“ Überraschend, denn Özkan ist auch Muslimin, auch in der CDU, und dennoch zu ganz anderen Schlüssen gekommen als der Nachwuchs-Christdemokrat.
Younes Ouaqasse wurde in Mannheim geboren, wuchs aber nach der Trennung der Eltern bei der Großmutter in Marokko auf. Als er mit acht Jahren zurückkehrt, spricht er kein Deutsch, sein Stiefvater bringt es ihm bei. Er bekommt eine Hauptschulempfehlung, holt aber dann die mittlere Reife und das Abitur nach. Nachdem er sich bei den Jungen Liberalen engagiert, wechselt er zur Schülerunion: „Hier wird seriöse Politik gemacht.“ Er sieht sich als Bildungspolitiker und argumentiert mit seinem Lebenslauf für das dreigliedrige Schulsystem: Der zeige, „dass es geht“.
Der 21-Jährige bezeichnet sich als „liberaler Muslim“ und die Frage, wie es ein Muslim schafft, bei den Christdemokraten erfolgreich zu sein, nervt ihn. Liberale religiöse Einstellungen seien sich ähnlich, ob christlich oder islamisch, sagt er. Trotz seines Glaubensbekenntnis kenne er nur zwei Suren, erzählt er der Süddeutschen Zeitung, er bete auch nicht fünfmal täglich in einer Moschee. Ouaqasse hält Deutschland für ein christlich geprägtes Land, in dem islamischer Religionsunterricht nichts zu suchen hat – das verhindere Integration –, und bekommt dafür ein vermutlich unwillkommenes Lob von der rechtsextremen NPD. Für Nichtchristen sei der Ethikunterricht ein gutes Fach, so Ouaqasse. Dort könnten „alle Religionen vermittelt“ werden. Er unterstützte die gescheiterte Berliner Initiative Pro Reli, die Ethik als Pflichtfach abschaffen wollte. Die Forderung, Kruzifixe aus Klassenzimmern zu entfernen, passt nicht in diese Sicht.
LALON SANDER
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