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Archiv-Artikel

Eier werfen statt abstimmen

UKRAINE Ratifizierung des Vertrags über eine längere Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim löst im Parlament in Kiew Tumulte aus

Parlamentspräsident Wolodimir Litwin flüchtete unter einen Regenschirm

VON BARBARA OERTEL

Chaos im ukrainischen Parlament: Bei der Ratifizierung des Vertrags über eine längere Verpachtung von Stützpunkten auf der Krim an die russische Schwarzmeerflotte ist es am Dienstag zu Tumulten gekommen. Abgeordnete der Opposition warfen mit Eiern und Rauchbomben. Parlamentspräsident Wolodimir Litwin flüchtete unter einen Regenschirm, um sich vor den Wurfgeschossen zu schützen. Außerhalb des Gebäudes kam es zu Schlägereien zwischen Befürwortern und Gegnern des Abkommens.

Trotz der widrigen Umstände stimmten 236 der 450 Abgeordneten für die Verlängerung des Pachtvertrags bis zum Jahre 2042. Unmittelbar danach verabschiedete das Parlament auch noch den Haushalt für 2010, verzichtete jedoch auf die normalerweise übliche Aussprache. Der Haushalt ist eine Voraussetzung für die Vergabe eines Zwölf-Milliarden-Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) an die Ukraine. Dessen ungeachtet merkte Exregierungschefin Julia Timoschenko an, dieses sei ein schwarzer Tag für die Geschichte der Ukraine und des ukrainischen Parlaments.

Die russische Schwarzmeerflotte, zu der derzeit rund 16.000 Soldaten und über 40 Schiffe gehören, ist seit dem 18. Jahrhundert im Schwarzmeerhafen Sewastopol stationiert. Nach dem erklärten Willen des früheren Staatspräsidenten Wiktor Juschtschenko hätte der Pachtvertrag 2017 auslaufen sollen.

Sein Nachfolger, Wiktor Janukowitsch, sieht das jedoch anders. Bereits bei seinem Antrittsbesuch in Moskau im vergangenen März und damit knapp einen Monat nach dem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen hatte Janukowitsch angekündigt, den Pachtvertrag für die Schwarzmeerflotte verlängern und ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Russland aufschlagen zu wollen. Als Gegenleistung für die jetzt abgesegnete längere Stationierung der Flotte senkt Russland den Preis für seine Gaslieferungen an den Nachbarn um 30 Prozent. Das werde Moskau in den kommenden zehn Jahren zwischen 30 und 34 Milliarden Euro kosten, rechnete Russlands Regierungschef Wladimir Putin am Montag bei einem Besuch in Kiew vor. Gleichzeitig kündigte er an, die Zusammenarbeit mit der Ukraine in den Bereichen Flugzeug- und Schiffbau sowie der Erzeugung von Atomenergie auszubauen.

Doch auch auf einer anderen Ebene scheint sich die Ukraine derzeit wieder verstärkt dem großen Bruder zuzuwenden. So kündigte die Regierung an, dass Vertreter russischer und weißrussischer Streitkräfte an der Siegesparade am 9. Mai aus Anlass des Jahrestags des Kriegsendes teilnehmen würden. Das wäre das erste Mal seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991, dass ausländische Truppen an diesem Tag in Kiew aufmarschieren.