betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Alle wollen plötzlich wieder eine Identität. Lange war das ja ziemlich out in unseren postmodernen Zeiten. Bloß: wo gibt’s die überhaupt? Bei der Fashion Week? Im KaDeWe oder auf der Casting-Allee? Kann das Theater da weiterhelfen? Im Theaterdiscounter tritt am kommenden Mittwoch eine Gruppe mit dem Namen Shane Drinion an, die sich mit dieser Frage befassen wird. Den Namen hat sie sich von einer Figur aus einem Roman von David Foster Wallace geborgt: ein Buchhalter, der bei der Ausführung stupidester Tätigkeiten grenzenloses Glück und Erfüllung findet; den also gerade der Verlust seiner Identität samt der damit verbundenen Last des blöden Subjektseinmüssens befreit. Dieses Glück allerdings soll manchmal nur der listige Vorbote darauf folgender Katastrophen sein. „Abwesen“ heißt die Produktion, mit der die Performer von Shane Drinion sich am nächsten Mittwoch in Berlin vorstellen. Wir werden Figuren begegnen, die sich in einer Zwischenwelt jenseits von Zuschreibungen einzurichten versuchen, in Räumen, die der Identifizierungswahn ständig mit Auslöschung bedroht. (Theaterdiscounter: „Abwesen“, ab 16. 10., ca. ab 19 Uhr – also wenn der Tag in die Zwischenwelt des Dämmerns zu tauchen beginnt)

Das Thema Identität hat auf ganz andere Weise bereits den Barockkomponisten Claudio Monteverdi beschäftigt. Die Identität der Macht, genauer gesagt. Wer genau muss man als Kaiserin sein – wollte er zum Beispiel wissen und hat diese Fragestellung an der römischen Kaiserin „Poppea“ durchgespielt, deren Karriere als Hure begann. In der Neuköllner Oper hat man den Stoff jetzt etwas zugespitzt und „Püppi“ überschrieben. Püppi ist auch keine Kaiserin mehr, sondern zum Präsidentenhund mutiert. Floating Identities sozusagen. Monteverdi-Musik wurde mit Sound aus unseren Tagen angereichert, den die Combo ?Shmaltz! beisteuern wird, eine Berliner BigBand, die u. a. Musiker von den 17 Hippies und Rot Front versammelt. (Neuköllner Oper: „Püppi“: 10., 12., 13. & 17. 10., 20 Uhr)

Einer ebenso dramatischen wie bewegenden Auseinandersetzung mit Identitätsfragen kann man im Stück „Brandung“ der diesjährigen Kleistförderpreisträgerin Maria Milisavljevic begegnen. Die gefeierte Uraufführung des Stücks fand im Sommer bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen statt und kommt nun am Donnerstag in die Box des koproduzierenden Deutschen Theaters. (Deutsches Theater, Box: „Brandung“: 10. 10., 20 Uhr, 11. 10. 19.30 Uhr, 13. 10., 20 Uhr)

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