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Archiv-Artikel

Partnerschaften werden pragmatischer

In den 60er-Jahren reagierten viele Berliner euphorisch auf neue Städtepartnerschaften. Heute ist das Interesse daran gering. Die Reaktion des Senats: Weniger Völkerverständigung als vielmehr Networking ist Ziel dieses Austauschs

Eine Quizfrage: Was haben der Chinesische Garten in Marzahn, ein jährliches Volleyballturnier in Indonesiens Hauptstadt Jakarta und der Umzug von 70 Tieren aus dem Berliner Zoo in die usbekische Hauptstadt Taschkent gemeinsam? Antwort: Sie alle sind Ergebnisse der Städtepartnerschaften, die Berlin mit 17 anderen Metropolen unterhält. Partnerstädte sind unter anderem Peking, Mexiko-Stadt, Warschau, Madrid, Buenos Aires und Windhoek.

Weltweit entstanden die ersten Städtepartnerschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihr Ziel: Völkerverständigung, die an der Basis beginnt. Aber in der globalisierten Gesellschaft hat sich dieses Ziel etwas gewandelt: Die Städte sind sich allgemein näher gekommen, was vor allem an der schnelleren und direkteren Kommunikation und billigeren Reisemöglichkeiten liegt. So reagierten viele Westberliner im Jahr 1967 noch euphorisch, als die Stadt mit dem damals relativ unbekannten Los Angeles Freundschaft schloss. Inzwischen ist es schwieriger, eine solche Begeisterung zu wecken und das Publikum für Partnerstädte zu interessieren. „Wir organisieren viele Veranstaltungen“, klagt Reiner Seider, der in der Senatskanzlei für internationale Städteverbindungen zuständig ist. „Aber die Medien berichten kaum noch darüber.“ Ein weiteres Beispiel: Zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Abgeordnetenhaus über die Bedeutung der Städtepartnerschaften vor kurzem kamen gerade mal zehn interessierte Bürger.

Das Ziel der Partnerschaften wird deswegen etwas vorsichtiger formuliert: Offiziell sollen Städteverbindungen „zur Internationalisierung Berlins und zum Erfahrungsaustausch effektiv und ergebnisorientiert beitragen“, heißt es auf der Internetseite des Senats. Sie sollen „strategisch ausgebaut werden“. In der Praxis bedeutet dies, dass Delegationen des Abgeordnetenhauses und der Feuerwehr, dass Künstler und Wissenschaftler ihre Kollegen im Ausland besuchen und dabei Information austauschen in Bereichen wie Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, öffentliche Sicherheit oder Kultur.

So präsentierten sich die hiesige Kulturszene und Wirtschaft bei den Berliner Tagen 2004 in Moskau; chinesische Richter und Beamte lernten bei einem Seminar in Berlin, wie man in einem Rechtsstaat mit politischen Gegnern umgehen soll; der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eröffnete zusammen mit seinen Kollegen aus Paris und Moskau 2002 das neue Rathaus Londons. Das ideologische Ziel der Völkerverständigung findet man fast nur noch bei Austauschprogrammen von Schulen.

Ähnlich orientiert sind immerhin noch die Partnerschaften auf Bezirksebene. Teilweise handelt es sich dabei auch um eine Form der Entwicklungshilfe. So unterstützt der Bezirk Treptow-Köpenick ökologische Landbauprojekte in seiner peruanischen Partnerprovinz Cajamara, Friedrichshain-Kreuzberg fördert die Alphabetisierung in der Stadt San Raphael in Nicaragua. Das Ziel lautet noch immer, dass „Menschen unterschiedlicher Sprache, Kultur und Lebensbedingungen voneinander lernen, einander akzeptieren und sich unterstützen“. So steht es auf der Website des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Kreuzberg – San Rafael.

Michiel Hulshof