Hamas und Fatah kämpfen um die Macht

Nach Straßenkämpfen im Gaza-Streifen bemühen sich die beiden größten palästinensischen Bewegungen um eine Beilegung des Konflikts um die Kontrolle der Sicherheitsapparate. Der Politbürochef der Islamisten wirft Präsident Abbas Verrat vor

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Der Machtkampf zwischen den beiden führenden palästinensischen Bewegungen Hamas und Fatah droht in einen Bürgerkrieg zu eskalieren. Auf die heftigen Straßenkämpfe unter Studenten im Gaza-Streifen, bei denen am Samstag 21 Menschen verletzt wurden, reagierten die Fraktionen erschrocken. Sie einigten sich in der Nacht zum Sonntag auf eine sofortige Einstellung der Kämpfe. „Wir sind eine Familie“, erinnerte der Nationale Sicherheitsberater Jibril Rajoub (Fatah). „Alle Seiten sind daran interessiert, den Konflikt durch einen Dialog beizulegen.“ Doch damit konnten sie nicht verhindern, dass es gestern zu einer neuen Schießerei mit drei weiteren Verletzten in Gaza kam.

Hintergrund der Unruhen war die Ernennung des von Israel gesuchten Jamal Abu Samhadana, des Gründers des militanten Volkswiderstandskomitees, zum Generalsekretär des palästinensischen Innenministeriums. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte die Berufung für ungültig erklärt, woraufhin ihn Chaled Mashaal, der in Damaskus ansässige Chef des Hamas-Politbüros, indirekt des Verrats beschuldigte. „Wir können Israel und Amerika verstehen, wenn sie versuchen, uns auszuhungern, nicht aber die Söhne unseres Volkes, die gegen uns intrigieren, um uns zum Fall zu führen.“ Maschaal wetterte gegen die „Verbrecher, die das nationale Interesse für ihre eigenen opfern“ und die die Haushaltskassen leer zurückließen. Ein Sprecher der islamistischen Bewegung beeilte sich gestern, die Äußerungen zu relativieren.

Auch Palästinenserpräsident Abbas versuchte, die Krise herunterzuspielen, stritt „interne Kämpfe“ ab und sprach stattdessen von „Spannungen, die auf das allgemeine Klima“ zurückzuführen seien. Die „Unstimmigkeiten“ zwischen der Fatah und der Hamas seien nur „natürlich“, denn die Hamas „kam von der Opposition an die Macht“.

Problematisch für die neue Regierung ist indes gerade die Begrenztheit ihrer Kompetenz. Palästinenserpräsident Abbas ist laut Grundgesetz befugt, ministerielle Nominierungen zu annullieren. Jibril Rajoub erklärte, die Ernennung Samhadanas sei, da sie ohne Absprache mit Abbas stattfand, „von vornherein nicht gesetzlich“ gewesen. In den Reihen von Hamas gibt es den Vorwurf, Fatah versuche ihre Regierungskompetenz zu untergraben und eine Art Schattenkabinett zu errichten. Ein Vorwurf, den Exminister Saeb Erikat (Fatah) als absurd abtut. Fatah sei nach ihrer überraschenden Wahlniederlage im Januar vorläufig damit beschäftigt, die eigenen Wunden zu lecken und „weit davon entfernt, eine Regierung bilden zu können“. Auf der Agenda der Partei stünden jetzt Reformen und Wahlen einer neuen Führung der Bewegung.

Ungeachtet dessen fällt Teilen der Fatah der Machtverlust schwer. Obschon Abbas bereits vor Wochen einen Teil der Sicherheitsdienste offiziell der neuen Regierung übergab, sind die Kommandanten noch immer ausnahmslos Fatah-Angehörige. Für sie geht es auch um ihre Arbeitsplätze. Angesichts der Wirtschaftsmisere schließen politische Analysten einen Putsch der Truppen nicht mehr aus.

Ziel des palästinensischen Innenministers Saed Siam, der Samhadana auf umstrittenen Posten hievte, ist die Aufstellung einer neuen Sicherheitstruppe unter seinem Kommando. Dabei geht es zum einen um ein Gegengewicht der von der Fatah kontrollierten Einheiten, zum anderen um die Entmilitarisierung der Straße und Kontrolle über die bewaffneten Banden. Letztere sollen offenbar den Großteil der künftigen Rekruten stellen.

Die Nominierung Samhadanas veranlasste das Weiße Haus erneut zur Verurteilung der Palästinensischen Autonomiebehörde, die damit „ihre wahre Natur enthüllt“. Samhadana war mit für ein Attentat auf einen ausländischen Konvoi im Gaza-Streifen verantwortlich, bei dem im Herbst 2003 drei amerikanische Staatsbürger getötet worden waren. In einem Interview mit dem britischen Sunday Telegraph kündigte Samhadana die Fortsetzung des Widerstands an. „Wir haben nur einen Feind. Das sind die Juden“, so Samhadana. Die neue Sicherheitstruppe unser seinem Kommando werde „der Kern der künftigen palästinensischen Armee sein“.