KOMMENTAR VON TARIK AHMIA : Treibjagd auf den Euro
Aus der Krise Griechenlands ist eine der gesamten Eurozone geworden. Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s treibt die Eskalation voran, indem sie griechische Staatsanleihen als Schrottpapiere abstempelt und Portugal, Irland und Spanien anzählt. Doch die Warnung vor dem Staatsbankrott ist ein abgekartetes Spiel, in dem Ratingagenturen als Handlanger spekulativer Anleger und geopolitischer Interessen agieren.
Trotz des schlechten Ratings gibt es nämlich keinen Zweifel daran, dass die Euro-Länder Athen vor der Pleite retten werden: Eine Zahlungsunfähigkeit wäre für den Währungsverbund sehr viel dramatischer und teurer als eine kurzfristige Intervention. Standard & Poor’s handelt deshalb wider besseres Wissen.
Die profitorientierten Bonitätsprüfer waren noch nie unabhängige Schiedsrichter der Finanzmärkte, auch wenn sie bis heute als deren Dirigenten auftreten. Endgültig diskreditierten sich die drei marktbeherrschenden Ratingagenturen, als sie toxischen Wertpapieren jahrelang die Bestnote AAA verliehen und damit die Finanzkrise auslösten. Bis heute gibt es keinen Hinweis darauf, dass sie die Zahlungsfähigkeit von Schuldnern besser analysieren.
Deshalb ist die geopolitische Dimension ihres Urteils nicht zu unterschätzen: Die USA gehörten von Anfang an zu den erbitterten Gegnern einer gemeinsamen europäischen Währung, die in offene Konkurrenz zum US-Dollar als Weltreservewährung tritt. Eine Eskalation der Euro-Krise liegt in ihrem Interesse. Es wäre politisch naiv, zu glauben, dass amerikanische Ratingagenturen, die es auf einen Marktanteil von 80 Prozent bringen, in diesem Machtkampf auf einmal neutral wären. Anstatt weiter zu zaudern, müssen die Euro-Länder Griechenland sofort helfen und den Finanzmärkten unmissverständlich signalisieren, dass jeder spekulative Angriff auf den größten Währungsraum der Welt chancenlos ist. Zudem müssen sie sich von der Euro-Lebenslüge verabschieden, sie könnten in dieser Haftungsgemeinschaft wirtschafts- und haushaltspolitisch jeweils unabhängig von den Partnerländern agieren.
Zu diesem Lernprozess gehört es auch, sich vom Diktum kommerzieller Ratingagenturen unabhängig zu machen. Dafür ist eine einflussreiche staatliche Ratingorganisation in Europa nötig, die auf dem Markt für Transparenz sorgt, anstatt ihn zu manipulieren.