: Rares Gebäck rätselhafter Herkunft
SPEZIALITÄT Das Franzbrötchen gibt es, von Ausnahmen abgesehen, nur in Hamburg. Über die Gründe wird spekuliert. Den Plunder gibt es diversen Varianten. Die meisten sind sich einig: Ein bisschen matschig muss er sein
VON GERNOT KNÖDLER
Es kommt nicht gerade oft vor, dass einem Gebäck ein ganzer Kongress gewidmet wird, wenn auch nur ein kleiner. Dem Franzbrötchen widerfährt diese Wertschätzung am 2. Mai im Kultwerk West in Hamburg Altona. Zum Programm gehört ein Wettbewerb, bei dem die Kongressteilnehmer durch Verkostung das beste Rezept ermitteln sollen. Es gibt Vorträge zum kulturhistorischen Erbe, das Hamburg mit dem Franzbrötchen zu bewahren hat, zur Arbeit von Hamburg Marketing mit dem Plundergebäck und – scherzhaft – zur „neuen Aufklärungskampagne des Drogenbeauftragten“. Außerdem wird eine Expertin des Deutschen Brotmuseums Ulm neue Erkenntnisse zur Herkunft des Zimtgebäcks vortragen.
Die am nächsten liegende Vermutung über die Herkunft des Franzbrötchen, verweist darauf, dass der Name wohl etwas mit der „Franzosenzeit“, der als traumatisch empfundenen Besetzung durch napoleonische Truppen Anfang des 19. Jahrhunderts zu tun haben müsse. Im Kleinen Lexikon Hamburger Begriffe findet sich ein Hinweis in diese Richtung: Als „Franzbrot“ habe ein langer Laib aus feinem weißen Mehl gegolten, dem heutigen Baguette vergleichbar. Vor gut 100 Jahren habe eine Hamburger Bäckerei begonnen, dieses Brot in der Fettpfanne zu veredeln, woraus das heutige Franzbrötchen entstanden sei.
Manfred Beseler, Mitherausgeber des „Franzbrötchenbuchs“ und Betreiber einer einschlägigen Website, vermutet, dass ein Altonaer Bäcker gleichen Namens das Gebäck vor 100 Jahren erfunden hat: Im Laufe seiner Recherchen hätten sich zwei alte Damen gemeldet und behauptet, ihr Vorfahr habe das Franzbrötchen erfunden. Beseler fand heraus, dass es eine in Frage kommende Bäckerei tatsächlich gegeben hat. Außerdem habe eine weitere Verwandte des Bäckers in München die Geschichte bestätigt. Beseler hält diese Geschichte deshalb „für relativ wahrscheinlich“. Beweisen könne er sie jedoch nicht.
Annette Hillringhaus vom Brotmuseum vermutet einen Zusammenhang mit Skandinavien, wo Zimt- und Plundergebäck gerne verspeist wird. Näheres will sie aber erst beim Kongress preisgeben. „Name, Herkunft, Rezept – alles ist miteinander verstrickt“, sagt sie. Dass ein Gebäck im wesentlichen in einer einzigen Stadt gebacken und verzehrt werde, sei „eine ganz außergewöhnliche Sache“.
Auffällig am Franzbrötchen ist schon die ungewöhnliche Form: Ein Stück Plunderteig – eine Art einfacher Blätterteig – wird mit Fett und Zimtzucker bestrichen und eingerollt. Von der Rolle werden wenige Zentimeter breite Stück abgeschnitten und mit einem Kochlöffelstiel oben eingedrückt, so dass sich die beiden schneckenförmigen Enden nach oben wölben und die hervortretende Füllung beim Backen karamellisieren kann.
„In dieser Form gab es vor 50 Jahren auch mal eine Mohnschnecke, sagt Stefan Marks, Ausbildungsleiter bei der Bäcker-Innung. Ob das Franzbrötchen eher luftig trocken oder mehr teigig-klebrig werde, hänge von der Füllung ab. „Mit weniger werden sie lockerer“, sagt Marks.
„Franzbrötchen mochte ich schon immer“, sagt Beseler. „Irgendwann brachten mich Leute darauf, dass ich die jeden Tag esse.“ Als Linguist interessierte ihn, wie das Backwerk, der Name und die Stadt zueinander fanden. Und weil er „Literatur macht“, begann er, Texte zum Thema zu schreiben und zu sammeln. Daraus wurde eine Website, eine Anthologie und ein Hamburgensien-Verlag mit dem Namen des Plunders.