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Archiv-Artikel

Die fremde Welt der Tauschbörsen

Prozess wegen Kinderpornographie muss unterbrochen werden, weil unklar bleibt, wie das Material Verbreitung fand

Von mnz

Ronald S. hat sich keine Mühe gegeben, vor Gericht besonders seriös zu wirken. Auf einen Anzug hat der 35-Jährige verzichtet, aber vielleicht besitzt der ungelernte Lagerarbeiter ja keinen. Auch sonst erfüllt er einige Klischees, die man gemeinhin gegen Menschen hegt, die der „Verbreitung kinderpornographischer Schriften“ angeklagt sind.

Sein Fall liegt eigentlich klar. Sollte man meinen. 160 einschlägige Bilder und sechs Filme haben sich auf seinem Rechner gefunden, dazu drei CDs mit diversen Fotos und Videos. Ronald S. bleibt nichts übrig, als den Vorwurf rundweg einzuräumen. Er „schäme sich sehr“, lässt er seinen Verteidiger erklären. Eigene Kinder hat er nicht.

Über Jahre hinweg zog Ronald S. Kinderpornos aus dem Netz, bei Tauschbörsen wie eMule oder KaZaA. „Aus Neugier“, wie Herr S. über seinen Anwalt berichtet – „um zu sehen, ob das wirklich so einfach ist“. Amtsrichter Hans Ahlers mag ihm das nicht so recht glauben. Schon die schiere Zahl von 32 fein säuberlich aufgelisteten Fällen spreche gegen „bloße Neugier“.

Aufgeflogen ist er allerdings nur, weil er sein Laptop zur Reparatur gebracht hat. Durch Zufall also, wie in anderen vergleichbaren Fällen auch. Die Polizei in Bremen ist auf dienliche Umstände angewiesen, wenn sie der Kinderpornographie auf die Spur kommen will. Und auf die Hilfe der Bundesbehörden. Tätig werden die hiesigen Polizeibeamten nur auf Anzeige hin – für verdachtsunabhängige Recherchen im Internet fehlt ihr das Personal. Außer dem Bundeskriminalamt verfüge man nur in München über eine eigene Ermittlungsgruppe, sagt ein Sprecher der Bremer Polizei.

So muss sich selbst der sachverständige Kripobeamte vor Gericht auf eine Handreichung stützen, die über die Funktionsweise von Tauschbörsen aufklärt. Die hätte vielleicht auch dem Staatsanwalt weitergeholfen. Eine genaue Vorstellung über die Welt des virtuellen Datenhandels hat er nicht.

Und so bleibt vorerst ungeklärt, ob Ronald S. die Kinderpornos nur besaß – oder sie auch verbreitet hat. Im ersten Fall drohen zwei, im zweiten jedoch bis zu fünf Jahre Haft. Der Angeklagte selbst bestreitet vehement, das Material unter die Leute gebracht zu haben. Der Sachverständige vermag die Frage nicht zu beantworten. Allerdings haben ihn Gericht und Staatsanwalt wohl auch nicht danach gefragt, ehe sie das Verfahren eröffneten. Amtsrichter Ahlers muss die Entscheidung vertagen, der Polizei einen neuen Auftrag mit auf den Weg geben. Und so zieht auch die Freundin des Herrn S. unverrichteter Dinge wieder ab. Sie war geladen, dem Gericht zu bestätigen, dass Freund Ronald zwar Kinderpornos besaß, aber keine pädophilen Neigungen. mnz