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Archiv-Artikel

Die Entschiedene

Die Hamburger Schriftstellerin Saliha Scheinhardt erzählt vom Leben türkischer Frauen in Deutschland und der Türkei – und kämpft für gegenseitiges Verständnis der Kulturen

Es ist gut, dass der Stuhl, auf dem Saliha Scheinhardt sitzt, zwei breite Armlehnen hat. So findet die rechte Hand einen Platz, auf den sie mit Nachdruck niedergehen kann. Zum Beispiel, wenn die 55-jährige Schriftstellerin, die mit 17 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, einen Satz mit „ich will“ beginnt.

Ohne „diese Überzeugung, ich will es, gebt mir eine Chance!“, so Saliha Scheinhardt, hätte sie nie erreicht, was ihr klar vor Augen stand: Raus aus der Textilfabrik in Bremen, in der sie ab 1967 arbeitete, um ihren deutschen Mann zu unterstützen. Über den zweiten Bildungsweg will sie Anfang der 70er Jahre, inzwischen Mutter eines Sohnes, ein Studium beginnen – was ihr aber, damals noch ohne deutschen Pass, verwehrt wird. Sie lässt nicht locker, erlangt schließlich eine Ausnahmeregelung. „Mein Leben ist eine Ausnahme!“ Ihr Gesicht leuchtet.

Sie arbeitet als Lehrerin, geht an die Hochschule, beginnt mit einer Promotion über den Islam. Es ist die Begegnung mit einer anderen türkischen Frau, die aus der Wissenschaftlerin eine Schriftstellerin macht. Die Andere hat ihren türkischen Mann getötet, dessen Drangsalierungen sie nicht länger ertrug. Ihr droht die Abschiebung in die Türkei. Scheinhardt erreicht zusammen mit anderen eine Duldung.

Und beginnt zu schreiben: „Ganz viele Elemente in ihrem Leben waren auch in meinem. Auch sie war eine Frau in der Emigration.“ 1983 ist der erste Roman fertig. Mittlerweile hat Scheinhardt 14 Bücher in deutscher Sprache veröffentlicht, in denen sie sich mit der Situation türkischer Frauen in Deutschland und in der Türkei auseinander setzt.

Das Schreiben ist für Saliha Scheinhardt untrennbar verbunden mit ihrem Engagement für ein gegenseitiges Verstehen beider Kulturen: „Ich bin eine politische Autorin, ich will, dass Dinge sich verändern. Wir müssen voneinander erfahren!“ Darum gibt sie viele Lesungen, wie jetzt in Hamburg, geht in Schulen, hält Vorträge und streitet für die Emanzipation der türkischen Frauen.

Sie kennt auch die Durststrecken im Privaten. Ereignisse wie der rassistische Überfall in Potsdam greifen sie an. Sie wird mit ganzer Kraft weitermachen, weil die Schicksale der anderen sie angehen. Die aktuellen Debatten entmutigen sie nicht: „Es ist noch nichts zu spät. Es ist eine Bewegung da. Auch wenn es nach 40 Jahren wenig scheint.“ Und dann erzählt sie von neuen Plänen, der Türkischen Frauenfilmwoche zum Beispiel: „Ich will dort ...“

Carola Ebeling

Saliha Scheinhardt liest am 26. 4. um 20 Uhr im Literaturzentrum Hamburg (Schwanenwik 38) aus ihrem Roman „Töchter des Euphrat“