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Archiv-Artikel

Sackleinerne Derbheit

Mit Dudelsack-Rap-Rock verkaufen sich Potentia Animi als eher unheilige Bruderschaft und ringen deswegen in der gestrengen Mittelalter-Szene um den nötigen Respekt

Überaus genau hat Bruder Liebe das mönchische Gelübde wohl nicht befolgt: Momentan hat er fünfmonatige Zwillinge aufzuziehen. Im bürgerlichen Leben trägt er den Namen Titus Jany. Dass er als Trommler und Sprachrohr von Potentia Animi regelmäßig in die Rolle des Mönchs zu schlüpfen hat, daran erinnert nur der sorgsam runde Topfschnitt – der allerdings die klassische Tonsurrasur vermissen lässt.

Solche Ungenauigkeiten sind es, die Potentia Animi und ihrem Dudelsack-Rock in der Mittelalter-Szene den Vorwurf eingetragen haben, nicht ausreichend authentisch zu sein. Obwohl sie sich als auf der Pilgerschaft befindliche Bruderschaft verkaufen. „Wir können gar nicht anders, wir sind viel zu albern“, sagt Jany dazu. „Dafür garantieren wir dem Publikum einen unterhaltsamen Abend.“ Er und seine Kollegen Bruder Nachtfraß, der die Cister bedient, Bruder Schaft an der Sackpfeife, Bassist Bruder Schlaf und Geiger Schnabausus Rex hätten ja „auch durchaus Sendungsbewusstsein“. Dieses bezieht sich aber vor allem auf Kritik an der Kirche. Religiosität sei zwar prinzipiell prima, die dazugehörigen Institutionen aber eher schädlich: „Ich war Ministrant“, sagt der 38-Jährige, „ich weiß Bescheid.“

Trotzdem wollen viele Traditionalisten ihren Mix aus gregorianischen Chorälen, Texten aus der Carmina Burana, dröhnendem Metal und auch schon mal ein paar Rap-Elementen nicht gutheißen. Auch mit dem Auftreten von Potentia Animi haben Puristen ihre Probleme: Denn auf der Bühne überzeugen sie als unheilige Bruderschaft, die zwar in weitgehend korrektem Latein singt, aber kaum eine unflätige Zote auslässt und den Berufsstand Mönch eher in Form des Saufbruders erscheinen lässt. Für Bruder Liebe ist das alles mehr als ein derber Spaß: „eine Überzeichnung, eine Karikatur, die Dogmen und Vorschriften hoppnimmt und deren Humor die Leute dazu bringen soll, mal drüber nachzudenken.“

Doch dass man die Sache mit der historischen Korrektheit nicht ganz so ernst zu nehmen pflegt wie andere in der Mittelalter-Branche und, so Jany, eine „ironische Distanz“ wahrt, hat tatsächlich einige Nachteile. So werden Bruder Liebe, der früher schon bei den Inchtabokatables spielte, und die Seinen auch von vielen Mittelaltermärkten als zu wenig echt befunden und deswegen selten gebucht. Die Auftritte auf diesen Märkten aber sind es, mit denen in der Szene vornehmlich Geld verdient wird. Wenn man nicht gerade Corvus Corax heißt, sind auch reguläre Konzerte nur schwer zu bekommen und Plattenverkäufe eher gering. Obwohl das Debütalbum von Potentia Animi so hübsch in Sackleinen gehüllt war. „Das kam super an“, erzählt Jany, „jedenfalls bis die Leute es gehört haben.“ Das neue Album „Psalm II“ kommt im Digipack zum Ausklappen in Kreuzform. Vorerst also kein Grund für Traditionalisten, sich gleich wieder aufzuregen. THOMAS WINKLER

Potentia Animi: „Psalm II“(Staupa Musica/SPV) Record-Release-Party am 27. 4. im K17