: Choleraopfer verklagen UNO
HAITI 2010 brach in Haiti Cholera aus – offenbar von Blauhelmtruppen eingeschleppt. Jetzt verlangen die Opfer Entschädigung. Die UNO weigert sich
VON HANS-ULRICH DILLMANN
SANTO DOMINGO taz | Tausende Haitianerinnen und Haitianer klagen gegen die Vereinten Nationen (UN). Mithilfe der US-Menschenrechtsorganisation Institut für Justiz und Demokratie in Haiti (IJDH) wollen sie Entschädigung für ihre Ansteckung mit dem Choleraerreger erstreiten. Sie machen Soldaten der Sicherheitsmission der Vereinten Nationen, Minustah, für ihre Erkrankung verantwortlich.
Bisher sind 8.300 Personen an Cholera gestorben, weit über 650.000 Menschen wurden infiziert. Der Sprecher der UN, Farhan Haq, verweigerte jede Kommentierung der Klage. Die UN reklamierten straf- und zivilrechtliche Immunität für den Einsatz der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (Minustah).
Das IJDH hat mit der Klage auf die Weigerung der Führung der Vereinten Nationen im Februar 2013 reagiert, Entschädigungen in Höhe von 100.000 US-Dollar für ein Choleratodesopfer und 50.000 US-Dollar für Erkrankte zu zahlen. „Wir denken, dass wir dieses Verfahren gewinnen werden“, sagte IJDH-Anwalt Ira Kurzban am Mittwoch in New York. Die Vereinten Nationen könnten sich „nicht hinter der Immunität verstecken“. Schließlich sei die „Cholera von UNO-Truppen nach Haiti gebracht“ worden.
Neun Monate nach dem schweren Erdbeben, bei dem im Januar 2010 rund 300.000 Menschen umkamen und das die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince und die Umgebung schwer zerstörte, wurden erste Fälle von Cholera gemeldet. Seit Jahrzehnten hatte es in Haiti keine Cholera mehr gegeben. Aber nicht die hygienischen Zustände in den provisorischen Lagern für mehr als 1,5 Millionen Menschen waren für die Erkrankungen verantwortlich.
Die ersten Choleraopfer gab es entlang eines Zuflusses des Artibonite, dessen Wasser die Infizierten zu sich genommen hatten. Der Verdacht richtete sich sehr schnell gegen einen Stützpunkt der seit 2004 in Haiti stationierten UN-Minustah-Mission. Dort waren nepalesische Streitkräfte stationiert, die kurz zuvor ins Land gekommen war. Anwohner hatten beobachtet, dass die Latrineninhalte des Lagers in der Ortschaft Mirebalais regelmäßig in dem Fluss entsorgt wurden.
Eine umfangreiche Untersuchung des US-Zentrums für Seuchenkontrolle (CDC) unterstützt diese These. In den Stuhl-, Blut- und Wasserproben stellten die CDC-Wissenschaftler Cholera-Erreger fest, die mit Bakterienstämmen identisch waren, wie sie in Südasien und Nepal vorkommen. Trotzdem weigerten sich die UN-Verantwortlichen schon damals, Verantwortung zu übernehmen.
Zwar räumte die Organisation nach langem Leugnen ein, dass die hygienischen Zustände in dem Militärlager nicht „adäquat“ gewesen seien, aber es gebe keinen Beweis dafür, dass die Soldaten die Bakterien eingeschleppt hätten.
Die Betroffenen sehen das anders. Einer von ihnen, Maximilien Saint Juste, sagt: „Die UN haben die Cholera gebracht. Jedes Opfer hat ein Recht auf Entschädigung.“