Die UNO gibt die Westsahara auf
Kofi Annan legt heute im Sicherheitsrat einen Bericht vor. Künftig soll direkt mit Marokko verhandelt werden
MADRID taz ■ Die UNO ist bei der Westsahara-Frage mit ihrem Latein am Ende. Das gesteht Generalsekretär Kofi Annan in seinem neuesten Bericht über die ehemalige spanische Kolonie ein. „Nach jahrelangen Friedensplänen ist klar, dass die UNO einen Schritt zurück macht“, heißt es in dem Dokument, das heute im UN-Sicherheitsrat zur Diskussion steht. Die Verantwortung für die Lösung des Streites liege künftig bei den Konfliktparteien Marokko und der Polisario selbst. Sie müssten in „direkte Verhandlungen“ eintreten. Marokko hält das gegenüber den Kanarischen Inseln liegende Gebiet seit 1975 besetzt. Die Polisario tritt für die Unabhängigkeit der Westsahara ein.
„Meiner Ansicht nach kann die Verlängerung der derzeitigen Stagnation zu einer Verschlechterung der Lage führen“, meint Annan. Der UN-Generalsekretär macht allerdings auch klar, dass „die UNO keinen Plan unterstützen kann, der ein legitimes Referendum ausschließt und dem Volk der Westsahara nicht die Selbstbestimmung zugesteht“.
Seit Anfang der 90er-Jahre versucht die UNO eine Volksabstimmung durchzuführen. Marokko verhinderte dies. Zu groß ist die Befürchtung, die Bevölkerung könne gegen Marokko stimmen. Auch der letzte UN-Plan des früheren US-Außenministers James Baker scheiterte am Widerstand Marokkos. Baker schlug eine fünfjährige Phase der Autonomie für die Westsahara vor, eine Rückführung der Flüchtlinge, die in Lagern in der Nähe der algerischen Stadt Tindouf leben, und im Anschluss eine Volksabstimmung über die Zukunft des Gebietes.
In Rabat stößt die Idee der direkten Verhandlungen auf Zustimmung. König Mohammed VI. sieht darin die Chance, den Sahrauis seinen Lösungsvorschlag zu diktieren. Er will eine Autonomielösung. Die Westsahara soll bei Marokko bleiben, sich aber weitgehend selbst verwalten. Für die Polisario hingegen sind direkte Verhandlungen „inakzeptabel, solange sich Rabat weigert, über das Selbstbestimmungsrecht für das sahrauische Volk zu reden“. Die Polisario besteht weiterhin auf der Umsetzung des Baker-Planes.
Auch auf diplomatischem Gebiet kann Marokko Erfolge verzeichnen. Die ehemalige Kolonialmacht Spanien, die bisher zumindest verbal der Polisario den Rücken stärkte, wendet sich immer mehr Rabat zu. „Mit dem neuesten Vorschlag macht sich der UN-Generalsekretär die spanische Position zu eigen“, erklärte Außenminister Miguel Ángel Moratinos. REINER WANDLER