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Archiv-Artikel

„Für die Zukunft erinnern“

GEDENKEN Am Massaker an 33.000 Juden im Herbst 1941 waren auch Bremer Polizisten beteiligt

Von SCHN
Sebastian Ellinghaus

■ 38, ist stellvertretender Amtsleiter und Referent für Europäische Integration bei der Landeszentrale für politische Bildung.

taz: Herr Ellinghaus, Hunderte Bremer Polizisten des „Bataillons 303“ waren am Massaker in Babij Jar beteiligt. Wie sah die Beteiligung aus?

Sebastian Ellinghaus: Das müssten sie Karl Schneider fragen. Er hat das Buch „Auswärts eingesetzt“ geschrieben, die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Beteiligung der Bremer Polizei an NS-Verbrechen. Ich finde aber, dass es recht egal ist, ob jemand selbst abgedrückt oder ob er die Menschen zusammengetrieben und das Areal abgeriegelt hat, wo sie ermordet wurden – die Schuld wiegt gleich schwer.

Wie kann es sein, dass noch vor fünf Jahren niemand von der Beteiligung der Bremer Polizei wusste?

Das Schweigen und Vertuschen ist nicht ungewöhnlich – sehr viele wollten einfach nichts gewusst haben. Hinzu kommt, dass es hier um das „eigene Haus“ geht, man muss sich hier also selbst auf den Nabel schauen. Und die Aufarbeitung der NS-Beteiligung von Behörden hat ja gerade erst begonnen.

Wie erklären Sie sich, dass überhaupt mit der Aufarbeitung begonnen wird?

Das Ansehen eines Ministers leidet heute nicht mehr, sondern steigt eher, wenn er sich damit auseinandersetzt. Außerdem ist der Abstand inzwischen groß genug, dass Polizisten sich nicht mehr allzu sehr mit den Tätern als Kollegen identifizieren – zu nah dran zu sein kann auch ein Hindernis sein. Hier geht’s ja nicht um zivile, sondern um uniformierte Courage. Und: Innensenator Mäurer scheint sehr interessiert zu sein, sich auch nachhaltig mit der Geschichte zu beschäftigen.

Er scheint das Thema „gegenwärtige Polizeigewalt“ allerdings recht unkritisch zu betrachten ...

Die Vergangenheit kann aber als Spiegel taugen, um das eigene Verhalten heute zu hinterfragen und um zu schauen, wie Menschen so enthemmt werden und zu so unvorstellbaren Taten fähig. Die Menschen sollen sich für die Zukunft erinnern. Ein Teil der Aufarbeitung ist ja auch, dass beileibe nicht jeder, der bei der Polizei oder Wehrmacht Befehle verweigert hat, selbst vom Tode bedroht war. Der Bremer Polizeipräsident will die NS-Geschichte der Polizei übrigens auch in die Ausbildung seiner Beamten einfließen lassen.

Inwiefern?

Er möchte gern den Bunker Valentin, wo in der NS-Zeit ja auch viele Polizisten eingesetzt waren, als Seminar-Ort nutzen.

INTERVIEW: SCHN

Gedenk-Matinee: Sonntag, 11 Uhr, Jüdische Gemeinde, Schwachhauser Heerstraße 117