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Archiv-Artikel

Vom „Polizei-Asyl“ zum „Pik As“

JUBILÄUM Die älteste Obdachlosenunterkunft Deutschlands wird 100. Im Winter schlafen hier mehr als 400 Männer

Wer das „Pik As“ an der Neustädter Straße in Hamburg betritt, den empfängt eine Welt aus gelb und weiß gestrichenen Räumen. In der Empfangshalle geht es vorbei an Kaffeeautomaten weiter durch kahle Flure bis zu den nummerierten Stahltüren der Zimmer mit den metallenen Etagenbetten. Hier, nahe Jungfernstieg und Reeperbahn, liegt Hamburgs zentrale Obdachlosenunterkunft für Männer. Notanlaufstelle für jene, die den Halt verloren haben.

Seit 100 Jahren existiert die Einrichtung. Nach Angaben der Stadt, die das „Pik As“ über ihr städtisches Unternehmen „Fördern und Wohnen“ betreibt und bezahlt, ist es die älteste Obdachlosenunterkunft Deutschlands. Das wird groß gefeiert in diesen Tagen. Mit einem Festakt samt Bürgermeister Olaf Scholz, mit Jubiläumspublikationen und einem Tag der offenen Tür.

210 Schlafplätze hat das „Pik As“ offiziell. In Krisensituationen, etwa im Winter, darf aus Sicherheitsgründen niemand weggeschickt werden, dann liegt die Übernachtungszahl weiter höher. Eigentlich soll das „Pik As“ eine Anlaufstelle für wenige Tage sein, aber nicht jeder findet von hier aus den Weg in andere Einrichtungen. „Es ist schwer, die Menschen weiterzuvermitteln“, sagt Sozialpädagoge Tobias Barta. Einige bleiben Jahre.

Die Geschichte des „Pik As“ beginnt kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Bürgervereine und Stiftungen tun sich mit dem Senat zusammen, um ein Obdachlosenasyl zu errichten. Hamburgs boomender Hafen zieht die Menschen in die Metropole, die sozialen Probleme sind gewaltig. Bei dem am 11. Oktober 1913 offiziell eröffneten neuen „Polizei-Asyl“ aber geht es weniger um Mitleid als um Kontrolle. Die Einrichtung mit der Abkürzung „P.-As“, die im Slang der Straße schon bald zu der heute noch gebräuchlichen Bezeichnung „Pik As“ wurde, sollte in erster Linie der „Sicherheit“ dienen, eine „Übersicht im Bereich des Lumpenproletariats“ liefern, wie es hieß. Das Kommando führte die Hamburger Polizei.

Die Übernachtungsbedingungen im „Pik As“ waren lange elend. Heute ist das „Pik As“ weitaus besser integriert. Firmen spenden, ein Förderverein engagiert sich für Verbesserungen. Gleichwohl hat das „Pik As“ mit Problemen zu kämpfen. Der Ruf unter Obdachlosen ist nicht der beste. Das liegt an den mitunter dramatischen Überbelegungen während der Winterzeit, als sich zuletzt mehr als 400 Menschen dort gedrängt haben sollen. Auch Konflikte unter den Bewohnern ließen sich nicht immer vermeiden, sagt „Pik As“-Sozialpädagoge Barta. Eines aber ist im Laufe der langen Geschichte der Obdachloseneinrichtung stets gleich geblieben: Die Mitarbeiter sehen sofort, was schief läuft im sozialen Gefüge dieses Landes. Inzwischen werde das „Pik As“ auch von Menschen aufgesucht, die im Niedriglohnsektor arbeiteten, sagt Einrichtungsleiter Patrik Rieken. „Das merken wir.“

SEBASTIAN BRONST