LESERINNENBRIEFE
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Edle Einfalt und stille Größe

■ betr.: „Letzte Hoffnung: Amtsverzicht“, taz vom 10. 10. 13

Die ganze Aufregung um den Limburger Bischof kann ich in Zeiten von Stuttgart 21 und Kassel-Calden nicht ganz nachvollziehen. Hat er auf seinen Baustellen nicht vielen Menschen Arbeit gegeben, statt bloß das Kapital „arbeiten“ zu lassen? Ist es zudem nicht so, dass die Kirche spätestens seit ihrer Einsetzung als Staatsreligion des ab dann „heiligen“ römischen Reiches 380 n. Chr. alles an Steuern, staatlichen Zuschüssen, Spenden, Kollekten, Almosen, Ablässen und Vermächtnissen an sich gerafft hat, was sie nur kriegen konnte, um den Großteil davon in Prunk und Protz umzusetzen?

Dagegen strahlen des Bischofs Bauten in ihrer fast protestantisch-ästhetischen Kargheit jenseits ihrer Kosten durchaus „edle Einfalt und stille Größe“ aus. Die Mariennische, der Felsenkeller sowie der Adventskranz für 100.000 Euro sind einfach schön.

Mit dem Sozialrevolutionär Jesus hat das alles freilich nichts zu tun. Dem pfiffigen Bübchen Bischof Tebartz-van Elst wird es so ähnlich gehen wie König Ludwig II. von Bayern: Zu Lebzeiten um Amt und Würden gebracht sowie für „krank“ erklärt, werden ihn im Laufe der Jahrhunderte zunehmend größere Scharen von Touristen aus aller Welt für seine Exzesse bewundern, den Ruhm Limburgs mehren und ein Vielfaches von dem in die Kassen der Kirche spülen, was die Bauten einst verschlangen. Der Antrag auf Aufnahme ins Unesco-Weltkulturerbe sollte in diesem Sinne vorsorglich bald gestellt werden. ALBRECHT THÖNE, Schwalmstadt

„Farbig“ vor Wut geworden

■ betr.: „Buchmessern 2: Leicht dadaistische Note“, taz vom 10. 10. 13

Leider ist Andreas Fanizadehs Beitrag über die Eröffnung der Frankfurter Buchmesse mehr als eine „Unsinnansammlung“, denn er beinhaltet diskriminierende Töne. Kann man/frau heute noch in einer Zeitung wie der taz von „farbigen“ Schriftstellern schreiben? Glücklicherweise straft dieselbe Ausgabe der taz solch eine Formulierung mit dem lesenswerten Beitrag von Lalon Sander über Antirassismus („Infantile Sprachlosigkeit“) selbst ab. Damit aber nicht genug des Vorurteils. Fanizadeh legt noch einmal nach, was den Schriftsteller Luiz Ruffato betrifft: „Ob seine Romane […] literarisch dem standhalten, was seine nach herrschendem PT-Muster Vorzeigebiografie verspricht, steht auf einem anderen Blatt.“ Oder mit anderen Worten: Kann ein Schriftsteller aus der Arbeiterklasse ein guter Schriftsteller sein? Mit derselben Arroganz verunglimpfte ein Großteil der herrschenden Klasse Brasiliens den ersten Arbeiter ihres Landes, der zweimal als Chef der PT (Partido dos Trabalhadores) zum Präsidenten gewählt wurde. Beim Lesen von Fanizadehs Beitrag bin ich „farbig“ geworden, nämlich rot vor Wut. Ob er am Ende zu tief ins Caipirinha-Glas geschaut hatte? Ich fürchte, das trifft nicht zu. NORBERT BOLTE, Rösrath

Toter Flüchtling – guter Flüchtling

■ betr.: „Nach Lampedusa ist vor Lampedusa“, taz vom 10. 10. 13

Es ist eine Schande und eine Heuchelei, was sich an den Grenzen unseres Kontinentes abspielt, der sich so gerne als Statthalter der Menschenrechte darstellt. Ein Europa, das sich gerade mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet hat, während es seit Jahren durch Kriege und/oder Waffenlieferungen Länder zerstört oder zumindest mit dazu beigetragen hat, dass Menschen in ihrem Land verzweifeln und keine Lebensperspektive mehr sehen. Schließlich kommt die größte Anzahl der Verzweifelten aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Libyen, Pakistan, Eritrea und dem Irak.

Das hiesige Entsetzen über die Tragödie währte nur kurz. Statt die Fluchtursachen zu bekämpfen, soll es nun für die Flüchtenden noch schwerer und aussichtsloser werden. Statt eine legale Einreise mit Prüfung der Fluchtgründe möglich zu machen (wie es in der Vergangenheit war), soll Frontex nun noch effizienter verhindern, dass Flüchtlinge in Ufernähe kommen. Schon lange werden Fischer, die um ihr Überleben kämpfende Flüchtlinge im Mittelmeer retten, vor Gericht als „Schlepper“ angeklagt. Nun sollen auch die Überlebenden von Lampedusa angeklagt werden. Gleichzeitig bekommen die toten Flüchtlinge ein „Staatsbegräbnis“. Merke: Nur ein toter Flüchtling ist ein guter Flüchtling. Zynischer und menschenverachtender geht es wohl nicht mehr. KURT LENNARTZ, Aachen