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Archiv-Artikel

Kinder haften für ihren Vater

Der Petitionsausschuss will sich nicht für die von Abschiebung bedrohte Familie Aydin einsetzen. Ausschlaggebend war ein Argument des Innensenators: Er wirft dem Vater PKK-Unterstützung vor

VON ALKE WIERTH

Jetzt sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft: Der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses hat es gestern abgelehnt, sich für ein Bleiberecht für die aus der Türkei stammende kurdische Familie Aydin einzusetzen. Die Entscheidung fiel mit neun gegen acht Simmen bei einer Enthaltung. Damit steht fest: Die Eltern und vier ihrer elf Kinder werden in den kommenden Wochen abgeschoben. Bleiben dürfen drei Töchter, die sich in der Ausbildung befinden. Die vier übrigen Kinder wohnen nicht mehr bei ihren Eltern.

Der Fall der 13-köpfigen Familie erregte bundesweit Aufsehen, nicht zuletzt deshalb, weil eine der Töchter, Hayriye, für ihr Engagement in einem Projekt gegen Antisemitismus von Bundespräsident Horst Köhler geehrt wurde. Eine Bürgerinitiative hatte sich für ein Bleiberecht der als vorbildlich integriert geltenden Familie eingesetzt.

Die Aydins waren 1989 aus der Türkei in die Bundesrepublik geflüchtet. Ihr erster Asylantrag wurde abgelehnt. Die Familie tauchte daraufhin unter und beantragte 1990 unter Angabe eines falschen Namens und Herkunftslandes in Berlin eine Duldung, die zunächst auch gewährt wurde. Seit vor 14 Jahren die Täuschung aufflog, betreibt die Innenbehörde ihre Abschiebung – bis gestern erfolglos.

Es sei die Angst vor der PKK gewesen, die ihn zu dieser Täuschung gebracht habe, erklärt Vater Feyyaz Aydin sein Verhalten. Die habe ihn, unter anderem durch die Entführung einer seiner Töchter, zur Mitarbeit zwingen wollen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sieht das anders: Er wirft dem Kurden Unterstützung der in Deutschland seit 1993 verbotenen PKK vor.

Feyyaz Aydin war bei der Erstürmung der israelischen Botschaft in Berlin 1999 vor Ort. Damals wurden vier Kurden von israelischen Sicherheitskräften erschossen. Verhaftet oder angeklagt wurde er aber nicht. „Dort waren viele Kurden“, ärgert sich die kurdischstämmige PDS-Abgeordnete Evrim Baba. „Will Körting die etwa alle abschieben?“ 99 Prozent der Kurden, so Baba, seien für die PKK: „Weil sie sich für ihr Selbstbestimmungsrecht einsetzt.“ Das hieße aber nicht, dass sie auch deren militante Aktionen unterstützten.

„Das PKK-Argument hat bei denen, deren Entscheidung bislang gewackelt hat, den Ausschlag gegeben“, meint Jasenka Villbrandt, die die Grünen im Petitionsausschuss vertritt. Dass die Beteiligung des Vaters an der Konsulatsbesetzung nun bekannt geworden sei, könne ihn und den Rest der Familie nach einer Abschiebung in die Türkei gefährden, kritisiert sie.

Rainer Michael Lehmann, der für die FDP im Ausschuss sitzt, wirft Körting Rücksichtslosigkeit vor. In dessen im Petitionsausschuss vorgetragener Stellungnahme habe die Integrationsleistung der Familie, deren Kinder überwiegend in Deutschland geboren sind und deren Umgangssprache Deutsch ist, keine Rolle gespielt. Stattdessen wolle Körting „ein Exempel statuieren“, so Lehmann, um seinen Ruf als „Softi-Senator“ loszuwerden.

Den Aydins bleibt nur noch die Hoffnung auf den Bundespräsidenten. Der hatte nach dem Gespräch mit Tochter Hayriye angekündigt, sich über den Fall der Familie informieren lassen zu wollen. Ob sich Köhler einmischen will, war gestern unklar.