: Unbestimmte Qualifikation
SACHKUNDE Wie viel Erfahrung reicht, um Senator zu sein? Wenig, meint das schleswig-holsteinische Innenministerium – und lässt in Lübeck einen gewähren, an dessen Tauglichkeit so mancher Zweifel hegt
Er war Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Lübecker Bürgerschaft, zuständig für Schule und Kultur, und hat sich zuletzt gegen den Ausbau des Flughafens Blankensee stark gemacht. Ab sofort sitzt Bernd Möller auf der anderen Seite: Der 56-Jährige ist nicht mehr Abgeordneter, sondern Senator der Hansestadt, zuständig für Inneres und Umwelt und mithin Herr über mehr als 1.000 Mitarbeiter, die sich mit Feuerwehr, Entsorgungsbetrieben oder auch dem Stadtwald beschäftigen. Reicht für den gut dotierten Chefposten die Erfahrung als Feierabendpolitiker?
Ja, meint die Kommunalaufsicht des Kieler Innenministeriums: Zwar fehle Möller passende Berufs- und Verwaltungserfahrung, aber das sei „keine Veranlassung, aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen“, ließ man wissen. Gescheitert ist damit ein Vorstoß von Wolfgang Nešković. Der ehemalige Bundesrichter, inzwischen Abgeordneter der Linkspartei im Bundestag, hatte sich nach der Wahl Möllers an die Kommunalaufsicht gewandt und auf die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung verwiesen: Diese verlangt „Eignung, Befähigung und Sachkunde“. Senator, sagt Nešković, sei ja schließlich kein politisches Amt, sondern ein Abteilungsleiter.
Die Antwort aus Kiel ist nun ein klares Jein: Angesichts der „kommunalpolitischen Erfahrung“ sei es „nicht abwegig, dass Sachkunde bei dem Bewerber zu bejahen“ sei – und außerdem seien „Eignung, Befähigung und Sachkunde unbestimmte Rechtsbegriffe“. Wolfgang Nešković kritisiert diese Entscheidung: Er könne sie juristisch nicht nachvollziehen, sagte er den Lübecker Nachrichten, die Kommunalaufsicht habe ihre Pflicht vernachlässigt.
Bei seiner Wahl erhielt der gelernte Dolmetscher Möller Ende März 30 Stimmen – darunter mutmaßlich einige aus der Linksfraktion, die sich eigentlich hatte enthalten wollen. Den bisherigen Amtsinhaber Thorsten Geißler schlug er knapp mit zwei Stimmen. ESTHER GEISSLINGER