: Ach- und Sachgeschichten vom Essen
„We feed the World“ von Erwin Wagenhofer ist ein Lehrfilm für Globalisierungsgegner
„An sich interessiert den Handel der Preis, der Geschmack ist kein Kriterium!“ So beschreibt ein österreichischer Geflügelzüchter in diesem Dokumentarfilm die neuen Bedingungen seines Metiers. Den Filmemacher Erwin Wagenhofer scheint dagegen nur die Information zu interessieren, und so ist für ihn Stil kein Kriterium. Er haut seinem Publikum pausenlos Daten, Statements und Fakten um die Ohren und will in 96 Minuten erklären, was alles falsch läuft mit unserer Ernährung. So ist man schnell empört darüber, dass die Regenwälder in Brasilien abgeholzt werden, damit dort Soja angebaut wird, mit dem dann in Europa das Vieh gemästet wird, und man schaut angeekelt auf die zermanschten Fischteile in den Netzen eines Fabrikschiffs, die dann als Filets in die Supermärkte wandern. Aber keiner dieser Eindrücke geht wirklich tief, weil die Montage zu beliebig und die Bilder nicht eindrucksvoll genug sind. Viel zu oft zeigt Wagenhofer nur sprechende Köpfe, die sich über die Auswüchse der Globalisierung beklagen. Dazu kommen dann meist noch einzelne Kernsätze und Fakten, die in Schriftzügen auf der Leinwand auftauchen. Man muss schon ein sehr engagierter Globalisierungsgegner sein, um bei diesem endlosen Lamento nicht die Geduld zu verlieren.
Wirklich ärgerlich daran ist, dass hier ein wichtiges Thema verschenkt wurde. Es ist ja wichtig, dass wir wissen, was wir essen. Zudem hat Wagenhofer gut recherchiert, ist für seine Aufnahmen weit gereist und hat Globalisierungsopfer in der Bretagne, in Spanien, Rumänien und Brasilien befragt. Und die bringen die alltäglichen Absurditäten unserer Nahrungsmittelproduktion oft genau auf den Punkt. In Wien wird etwa täglich so viel essbares Brot vernichtet, wie in der zweitgrößten Stadt des Landes Graz verbraucht wird. Das Wasser in Südspanien wird knapp, weil dort die Treibhäuser für das Gemüse künstlich bewässert werden, das in Mitteleuropa gegessen wird. Und rumänische Bauern müssen zu Hybridsaatgut wechseln, obwohl dieses den Böden schadet und das Gemüse schlechter schmeckt als das dort traditionell angebaute. Man erfährt vieles in „We feed the Word“ aber spürt dabei wenig, denn das Kino eignet sich nun mal schlecht als Informationsmedium. Im Fernsehen wäre dieser Film sicher besser aufgehoben, aber für die öffentlichen Sendeanstalten ist er dann wieder zu polemisch. Dabei hätte die gelungenste Sequenz des Films auch ganz ähnlich in der „Sendung mit der Maus“ laufen können. Wie in deren „Lach- und Sachgeschichten“ wird Schritt für Schritt gezeigt, wie etwas hergestellt wird - in diesem Fall ein Masthähnchen. Gerade weil die Kamera hier so sachlich die verschiedenen Produktionsstadien aufzeichnet, und die lebenden Tiere dabei ganz und gar zu Dingen werden, bleiben diese Bilder im Gedächtnis.
Kontraproduktiv sind dagegen die immer wieder eingestreuten Kommentare des Schweizer Journalisten und Politikers Jean Ziegler. Dieser ist einer der sprachlich gewandtesten Gegner der Globalisierung, aber auch ein eitler Selbstdarsteller, und immer wenn er Statements wie „ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet“ in die Kamera sagt, sieht man dabei das triumphierende Glitzern des professionellen Rechthabers in seinen Augen. Wagenhofer fehlt das Gespür für solche Nuancen, und so gelingt es ihm auch nicht, den Verwaltungspräsidenten von Nestlé, Peter Brabeck, bei einem Interview aus der Reserve zu locken. Was hätte ein Michael Moore aus solch einer Gelegenheit gemacht? Er hat einen politisch wichtigen Lehrfilm gemacht, und an dem soll sich das Publikum gefälligst abarbeiten. Wilfried Hippen