„Einfach mal anfangen“

UNTERKOMMEN „Obdach ist machbar“ – sagt ein Bündnis aus St. Georg. Es gebe genügend Leerstand

■ 55, Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Wohnungsnot, zu dem unter anderem Caritas und Diakonie gehören.

taz: Obdach für alle ist machbar, sagt das Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot. Frau Reuter, wie stellen Sie sich das vor?

Bettina Reuter: Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es viel Leerstand in Hamburg gibt. Wenn man hochrechnet, dass es pro Stadtteil die Möglichkeit gibt, 20 Leute in leer stehenden Gebäuden unterzubringen, dann könnte man für alle Obdachlosen zumindest planspielmäßig sofort Wohnraum finden. Deswegen fordern wir, dass die Stadt die Gebäude anmietet, um sie in Unterkünfte umzuwandeln.

Warum lässt die Stadt so viel Leerstand zu?

Da gibt es wohl Gesetzeslücken. Wenn ein Wohnungsbesitzer eine Wohnung leer stehen lässt und sagt, er wolle sanieren, muss er in einer bestimmten Frist beginnen – aber da reicht wohl ein Pinselstrich und dann hat er lange Zeit, den nächsten zu machen.

Wie ist es mit den städtischen ungenutzten Gebäuden?

Wir wissen, dass die Saga, das Hamburger Wohnungsunternehmen, Leerstand hat. Es wird mit Sanierung argumentiert – da müsste die Stadt prüfen, ob die Fristen eingehalten werden, aber das geschieht kaum.

Beispielhaft wollen Sie das leer stehende Gebäude in der Koppel 95 als Wohnort einfordern. Warum gerade das?

Das ist ein Haus, das 15 Jahre leer steht. In den 90er-Jahren waren dort Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien untergebracht. Weil die Anwohner und Leute aus St. Georg wissen, dass dort schon einmal Menschen vorübergehend untergebracht wurden, weiß man, dass es dafür geeignet ist.

Oft protestieren Anwohner eher dagegen, dass Bedürftige neben ihnen wohnen.

Der Winter steht vor der Tür und das Winternotprogramm wird nicht ausreichen, um alle unterzubringen. Das weiß man vom Vorjahr: Da wurden die Plätze fast verdreifacht und trotzdem blieben Menschen auf der Straße, weil sie die überfüllten Unterkünfte nicht annahmen.

Wie optimistisch sind Sie, dass sich die Stadt bewegt?

Wir hoffen einfach, dass wir genügend mobilisieren. Tatsächlich ist es ein langer Weg: Sie müssen auf die Eigentümer zugehen, sehen, warum sich in den städtischen Immobilien nichts getan hat. Aber man muss jetzt einfach mal anfangen. INTERVIEW: GRÄ

Kundgebung des Aktionsbündnisses gegen Wohnungsnot, des Einwohnervereins St. Georg und der Kirchengemeinde St. Georg: 12 Uhr, vor dem Haus Koppel 95. Kulturveranstaltung „Obdach ist machbar, Herr Nachbar“: 19 Uhr, St. Georgs-Kirche