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Archiv-Artikel

Karlsruhe dämpft Berlins Geldhoffnungen

Bei der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zeichnen sich wenig Chancen für die Hauptstadtklage ab

KARLSRUHE taz ■ Klaus Wowereit (SPD) appellierte gestern an das Bundesverfassungsgericht möglichst eindringlich. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Berlin zum Armenhaus der Republik wird“, sagte Berlins regierender Bürgermeister in Karlsruhe. Dort wurde gestern über die Klage der Hauptstadt verhandelt, die bis zu 30 Milliarden Euro Sanierungszuweisungen vom Bund beansprucht.

Berlin fordert Gleichbehandlung mit Bremen und dem Saarland. 1992 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass den beiden überschuldeten Ländern Sonderhilfen zustehen. Von 1994 bis 2004 flossen dann 8,5 Milliarden Euro an die kleine Hansestadt und 6,5 Milliarden Euro ans Saarland.

„Wenn zwei Ländern geholfen wird, dann muss auch Berlin geholfen werden“, argumentierte Berlins Vertreter, der Rechtsprofessor Joachim Wieland. Auch Berlin stecke in einer „extremen Haushaltsnotlage“, bei der keine Selbsthilfe mehr möglich sei. Das Land habe derzeit über 60 Milliarden Euro Schulden und müsse jedes Jahr allein 2,5 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben.

Barbara Hendricks (SPD) jedoch, Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, wies den Anspruch auf Gleichbehandlung zurück: „Die Zeiten haben sich geändert.“ Wer glaube, im Bundeshaushalt sei noch Luft für zweistellige Milliardenhilfen, habe die „neuen Realitäten nicht erkannt“. Auch der Prozessvertreter des Bundes, Peter Helmer, warnte vor einem Urteil zugunsten Berlins: „Die meisten Bundesländer sind schon oder werden bald in einer ähnlichen Situation wie Berlin sein.“

Beinahe genauso argumentierte gleich zu Beginn der Verhandlung die federführende Verfassungsrichterin Lerke Osterloh und verpasste damit Berlins Hoffnungen einen herben Dämpfer: „Je verbreiteter der Notstand in der Praxis ist, desto weniger liegt ein Notstand im Sinne des Grundgesetzes vor.“

Die wenig verschuldeten Südländer Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen glauben, dass sich Berlin durchaus selbst sanieren könne. „Das Land hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem“, sagte Ulrich Häde, der Vertreter der Südländer. So gebe Berlin für seine Schüler deutlich mehr aus als Hessen, kritisierte der Wiesbadener Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU).

Außerdem sei die Gewerbesteuer in Berlin niedriger als im Bundesdurchschnitt, kritisierte Professor Dieter Birk für das Land Nordrhein-Westfalen.

Berlin verwies dagegen auf erhebliche Einsparleistungen. So sei der öffentliche Dienst um ein Drittel reduziert worden, die verbliebenen Beschäftigten hätten auf acht bis zwölf Prozent ihrer Gehälter verzichtet. Es könne aber nicht erwartet werden, überall am untersten Niveau zu liegen, bevor es Hilfe bekomme, sagte Wieland. „Wir sind allerdings zu weiteren Einschnitten bereit, wenn es zu einer Vereinbarung über Sanierungshilfen kommt“, sagte er.

Verständnis für die Sorgen Berlins hatte vor allem Richter Winfried Hassemer, der Vizepräsident des Gerichts. Er schlug vor, die Lasten Berlins als Hauptstadt besonders zu berücksichtigen. Er musste sich aber von seiner Kollegin Osterloh belehren lassen, dass dies bereits im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs berücksichtigt werde.

„Wenn Berlin zusätzliches Geld bekommt, hätte dies eine zusätzliche Anreizwirkung für die anderen Länder“, warnte der Südvertreter Ulrich Häde. Letztlich habe sich das Land selbst in die schwierige Situation gebracht, weil zu spät mit dem Sparen begonnen wurde. Klaus Wowereit verwies dagegen auf die historische Teilung der Stadt.

Ob das Gericht sein Urteil noch vor den Berliner Wahlen im September verkündet, war bei Redaktionsschluss noch unklar.

CHRISTIAN RATH