Zukunft der Sozialversicherungen: Systemumstellung überfällig
Die Zahlen sind erschreckend: Wie im gesamten Bundesgebiet können auch in Nordrhein-Westfalen immer weniger Menschen von eigener Arbeit leben. Im größten Bundesland nennt gerade noch jeder Dritte die eigene Erwerbsarbeit als Haupteinnahmequelle. Grund ist nicht allein die steigende Zahl der Rentnerinnen und Rentner: Immer mehr Menschen sind von Arbeitslosengeld abhängig – und seit den Hartz-Gesetzen auch von Transferleistungen ihrer Angehörigen.
KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA
Gefährdet ist damit das gesamte System der Sozialversicherungen. Selbstverständlichkeiten wie die Krankenversicherung für alle sind genauso in Gefahr wie die gesetzliche Rente, die von immer mehr Jüngeren ohnehin für einen Witz gehalten wird: Ohne grundlegende Reform des Systems werden die jetzt 20- bis 40-Jährigen von ihren Beiträgen wohl nicht viel zurückbekommen. Und die so genannte Arbeitslosenversicherung, deren Leistungen nach nur einem Jahr auf Minimalmaß schrumpfen, verdient ihren Namen schon heute nicht mehr.
Doch gerade die großen Volksparteien CDU und SPD wirken angesichts der Krise träge: Sie wiederholen ihr Mantra der Vollbeschäftigung, die alle Finanzprobleme der Sozialversicherungen ganz nebenbei lösen soll. Dabei zeigen die Rationalisierungsschübe der Unternehmen überdeutlich: Signifikant sinkende Arbeitslosenzahlen basieren auf dem Prinzip Hoffnung, die Vollbeschäftigung ist eine an die fünfziger Jahre erinnernde Illusion.
Retten kann die Sozialversicherungen deshalb nur eine Systemumstellung, weg von der anachronistischen alleinigen Finanzierung über den Faktor Arbeit, hin zu Beteiligung aller Einnahmequellen. Konkret bedeutet das eine stärkere Steuerfinanzierung – und damit mehr Gerechtigkeit. Vor den Volksparteien CDU und SPD liegt noch ein weiter Weg.
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