: Die Marketing-Meisterschaft
Die WM kommt und in den beiden Austragungsorten Hamburg und Hannover laufen die Stadtmarketing-Abteilungen heiß: Während Hamburg als Entertainment-Hauptstadt präsentiert wird, setzt man in Hannover auf Herz und Gastfreundschaft
von Klaus Irler
Anfang April, es sind noch 60 Tage bis zur WM und es riecht streng. Hamburgs Senator für Stadtentwicklung Michael Freytag (CDU) steht auf dem Dach der Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor im Westen Hamburgs. Unten auf der Erde biegt sich die A 7 Richtung Flensburg, dahinter die liegt die Silhouette der großen Stadt unter unruhigen Wolken. Senator Freytag hat eine Konsole mit Knopf in der Hand, der Stecker baumelt lose in der Luft und muss noch aus dem Bild. Hinter dem Senator steht auf einem Podest ein Fußballtor aus Neonröhren, die blau leuchten, und noch weiter hinten ist ein Stückchen AOL-Arena zu sehen, die zur WM aus Lizenzgründen nicht mehr so heißen darf. Die Kamera klickt. Es ist die Einweihung des 60. Blue Goals und weil es vom Müllbunker her streng riecht sagt der Senator: „Das hier ist Objekt pur. Das ist Mitten im Leben und kein abgeschlossenes Kunstprojekt.“
Heute sind es noch 42 Tage bis zur WM und mittlerweile stehen 84 Blue Goals des Lichtkünstlers Michael Batz auf Hamburgs Dächern, im Hafen und auf der Binnenalster. Bis zur WM sollen es bis zu 180 Blue Goals in der Stadt werden. Außerdem wird man Laserstationen auf einige Dächer stellen, die die Blue Goals mit einem Netz aus Laserstrahlen verbinden werden. Gemeint ist das Blue Goal als „Tor zur Welt“ – die Materialkosten werden von Unternehmen gesponsert und die Idee stammt von Künstler Batz, der kein Geld, aber viel Publicity bekommt. „Das Blue Goal gibt es sonst nirgends auf der internationalen Landkarte“ diktiert Senator Freytag in die Journalistenblöcke.
Soweit die Kunst. Den Marketing-Strategen ist die Kunst nur recht, ihre eigene Botschaft für Hamburg in Zeiten der WM aber lautet anders: „Wir sind Entertainment-Hauptstadt“, sagt der Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH, Hariolf Wenzler. Spielbudenplatz, Reeperbahn – das alles wird fertig renoviert sein zur WM, außerdem gibt es natürlich das große Fanfest auf dem Heiligengeistfeld. Die große Party zur WM, gepaart mit der Erkenntnis, dass Hamburg „die einzige maritime WM-Stadt ist“: Wenzler möchte die WM nutzen, um für Hamburg auf dem „internationalen Tourismusmarkt“ zu werben. International heißt in diesem Fall: weit weg. „In den USA beispielsweise sind Berlin und München bekannter als Hamburg“, sagt Wenzler. Ändern sollen das die erhofften 3.000 Journalisten aus aller Welt, denen Hamburg ausführlich von allen Seiten gezeigt werden wird. Und denen die Stadt eigens eine Medienlounge auf dem Dach des Hamburger Medienbunkers hingestellt hat – direkt über der Party-Meile Heiligengeistfeld.
50.000 Menschen werden dort zu den Übertragungen erwartet – in Hannover, der anderen WM-Stadt im Norden, rechnet man beim Fanfest auf dem dortigen Waterlooplatz mit 20.000. Dafür „findet alles sehr zentral statt“, sagt Ralf Sonnenberg vom Hannoveraner WM-Team. „Vom Hauptbahnhof bis zum Stadion dauert es nur 20 Minuten und vom Fanfest bis zum Stadion sind es 800 Meter.“ Außerdem, und hier liegt ein wesentlicher Grund für Hannovers Adelung als WM-Stadt, sei die „Infrastruktur durch die Messe und die Expo in Hannover vorhanden.“ Und das auch mental: „Der zweite Vorname der Hannoveraner ist ‚Gastgeber‘“ sagt der WM-Beauftragte der Stadt Hannover, Klaus Timaeus. „Unsere Messemuttis kennt man.“ Weil Gastfreundlichkeit etwas mit Herzlichkeit zu tun hat, zeigt das Plakat zur WM folgerichtig einen Oberkörper im Trikot mit der rechten Hand auf dem Herz. Dazu die Zeile: „Näher am Herzschlag der WM.“
Aber Touristen? Klar, Broschüren zur Region Hannover stehen bereit und man hofft, dass Hannovers zentrale Lage auch solche Fans an die Leine zieht, die sich Spiele in anderen Städten anschauen werden. Für Hans Christian Nolte, den Geschäftsführer der Hannover Marketing GmbH, sind aber eine wesentliche Zielgruppe im WM-Trubel die Wirtschaftsdelegationen: Südkorea beispielsweise wird in Hannover spielen, außerdem kommen Schweizer und beide Mannschaften werden Business People mit nach Hannover mitbringen. Treffen wird man die bei „Business meets Sports“-Veranstaltungen in der Niedersächsischen Börse. „Wir tun das, weil wir den Wirtschaftsstandort Hannover oft noch erklären müssen“, sagt Nolte.
Eine Million Euro lässt sich Hannover seine WM-Aktivitäten kosten, ein Budget, das von keiner anderen WM-Stadt unterboten wird. Auf eine Eventagentur hat die Stadt verzichtet, die Vermarktung des Fanfestes übernimmt das WM-Team der Stadt selbst. „Wir wollen das im Sinne der Steuerzahler lösen“ sagt Sonnenberg. Derzeit ist die Stadt mit der Arbeitsagentur im Gespräch um Ein-Euro-Jobber zugeteilt zu bekommen, die zur WM Graffiti von den städtischen Gebäuden entfernen sollen: Zum Aufhübschen, wie es unlängst auch in der Pasarelle passierte, einer Einkaufsmeile in der Innenstadt. Dort war auf einem Schild zum Umbau ein Lego-Bauarbeiter abgebildet. Sein Text für die City-Besucher: „Gestern noch sorry, heute schon stolz wie Oskar.“