: Extremismus-Streit in großer Koalition
SPD will geplante Kürzungen der staatlichen Hilfe für Programme gegen Rechtsextremismus verhindern. Union möchte Fördermittel künftig auch zur Bekämpfung des Islamismus ausgeben. Am Montag soll Kanzlerin Angela Merkel eingreifen
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Es war ein CDU-Politiker, der Alarm schlug. Die Zahl der Gewalttaten von Rechtsextremen sei deutlich gestiegen, gab Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann bekannt. Rechtsradikale hätten 2005 bundesweit 958 Gewalttaten begangen, 2004 seien es 776 gewesen – eine Steigerung um 23 Prozent. Schünemanns Parteifreunde in Berlin wollen dennoch die finanzielle Unterstützung für Projekte gegen Rechtsextremismus kürzen.
Ein Teil der 19 Millionen Euro, die der Bund bisher jährlich für Initiativen gegen Rechtsextremismus ausgibt, solle künftig zur Bekämpfung des Islamismus verwendet werden, erklärte die zuständige CDU-Abgeordnete Kristina Köhler gestern der taz. „Beide Phänomene sind etwa gleich groß und gleich gefährlich“, sagte Köhler. „Dies sollte auch bei der Verteilung der Mittel berücksichtigt werden.“
Das würde bedeuten, dass die Unterstützung der Anti-rechts-Programme halbiert werden könnte. Köhler findet: „Es gibt ein Sparpotenzial bei diesen Projekten.“ Bisher werden die Programme „Civitas“ und „Enimon“ gefördert. Schwerpunkt von „Civitas“ sind Beratungsteams und Betreuung von Opfern rechter Gewalt im Osten. „Enimon“ fördert bundesweit Projekte für junge Menschen zur Stärkung von Zivilcourage und Toleranz.
Die CDU-Fachfrau räumte ein, dass es Meinungsverschiedenheiten in der großen Koalition gebe: „Das ist ein Problem.“ Innenpolitiker der SPD machten nämlich gestern deutlich, dass sie auf jeden Fall an der bisherigen Förderung der Programme gegen rechts festhalten wollen – und zwar im bisherigen Umfang. „Wir werden es nicht zulassen, dass diese Mittel gekürzt werden“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, der taz: „Das ist für uns ein außerordentlich wichtiger Punkt.“
Es ist so wichtig, dass das Thema schon am Montag beim Koalitionsgipfel mit Angela Merkel und Franz Müntefering besprochen werden soll. „Wie es weitergeht, müssen erst einmal die Fraktionen und Parteien unter sich ausmachen“, hieß es aus dem von Ursula von der Leyen (CDU) geführten Familienministerium, das die Fördermittel verteilt. Bisher sei geplant gewesen, weiter insgesamt 19 Millionen für Programme gegen Extremismus auszugeben – aber künftig inklusive Islamismus und Linksextremismus.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sagte der taz, auch seine Partei sei für Maßnahmen gegen Islamismus offen, aber: „Wenn die Union die Programme inhaltlich verbreitern will, müssen sie finanziell aufgestockt werden.“ CDU-Kollegin Köhler hält dagegen: „Woher soll das Geld denn kommen?“
Über die Anti-rechts-Projekte schimpfte der innenpolitische Sprecher der Union, Hans-Peter Uhl (CSU) kürzlich, in den letzten Jahren sei teilweise „ein rot-grünes Netzwerk mit staatlichen Geldern bedacht“ worden. Edathy dazu gestern: „Entweder ist Herr Uhl böswillig oder er hat keine Ahnung. Ich will mal zu seinen Gunsten das Letztere unterstellen.“